Das Brot-Backen mit Vollkorn ist gar nicht so anders und doch gibt es Einiges zu beachten. Vor allem dann, wenn es sich um ein 100% Vollkornbrot handelt. Das sind die Besonderheiten.
Vollkorn ist kein Trend mehr, sondern aus unserer Ernährung nicht mehr wegzudenken. Die ernährungstechnischen Vorteile von Vollkornbrot liegen auf der Hand:
- Mehr Mineralstoffe und Vitamine
- längere Sättigung
- mehr Ballaststoffe
Und durch die sehr aktive Brotback-Community und immer besser werdende Rezepte müssen Vollkornbrote heutzutage auch keine staubtrockenen Brot-Klötze mehr sein. Ein Vollkornbrot kann, mit der richtigen Aufarbeitung, fast so leicht und luftig daher kommen, wie ein helles Brot. Damit das klappt, erzähle ich dir hier alles darüber, wie du Vollkorn in deinen Brotteigen behandeln solltest.
Vollkornbrot und die Wasseraufnahme
Im Prinzip könntest du in einem Rezept, das mit Auszugsmehlen niedrigerer Type konzipiert wurde, die Mehle einfach mit Vollkornmehlen austauschen. Das Einzige was du auf jeden Fall dann noch anpassen musst, ist: Das Wasser. Die Wasseraufnahme eines Vollkornmehls liegt deutlich höher als die eines Auszugsmehls niedriger Type (wie Weizenmehl Typ 550 oder 1050).
Mehl höherer Typen (z.B. Typ 1050, 1600) und Vollkornmehl enthalten mehr Bestandteile der Kornschale und des Keimlings. Diese Bestandteile enthalten mehr Ballaststoffe, insbesondere Kleie, die eine hohe Wasserbindungskapazität haben. Die Teilchen in Mehlen höherer Typen und Vollkornmehlen sind tendenziell gröber gemahlen und haben dadurch eine größere Oberfläche im Vergleich zu feiner gemahlenem Mehl niedrigerer Typen (wie Typ 405). Die größere Oberfläche ermöglicht mehr Kontakt mit Wasser, was zu einer höheren Wasseraufnahme führt.
Achtung: Nicht nur der Mehlgrad bestimmt die mögliche Wasseraufnahme, sondern auch der Proteingehalt und die Kleberqualität. Je höher dieser bzw. diese ist, desto mehr Wasser kann gebunden werden. D.h. ein gutes, backstarkes Vollkornmehl kann tendenziell sehr viel Wasser binden. So wird aus einem Brotteig mit Hydration von 70% plötzlich eine Hydration von 80% (TA180).
Wenn du in einem Rezept Auszugsmehle mit Vollkornmehlen ersetzt, solltest du also die Wassermenge erhöhen. Da du nicht weißt, wie viel Wasser gebunden werden kann, solltest du das aber nicht direkt machen, sondern über Reservewasser (Bassinage), das du erst ganz am Ende zugibst, wenn du merkst, dass der Teig noch zu fest ist und Wasser vertragen kann. Die Teigkonsistenz soll mit Vollkornmehl gleich sein wie zuvor mit niedrigeren Mehltypen. Also langsam tröpfchenweise zum Schluss einkneten, bis der Teig passt.
Beispiel: Vollkorn-Teig fertig geknetet (man sieht deutlich die Kleie und der Teig ist nicht 100% glatt. Ganz normal für einen solchen Teig)
Kneten von Vollkornmehl
Teige mit viel Vollkornmehl können, müssen aber nicht verknetet werden. Auch hier lässt sich die No Knead Methode anwenden, bei der der Teig sich selbst überlassen wird. Die Zutaten werden gut gemischt und durch lange Reifezeit bilden sich automatisch die nötigen Glutenstränge und das Teiggerüst, damit du am Ende ein Brot backen kannst. Das Ergebnis ist meist nicht so perfekt, als wäre der Teig sauber geknetet worden, aber im Grunde funktioniert es. Auch das Kneten von Hand geht natürlich, dauert nur deutlich länger als mit der Maschine.
Das Kneten von Vollkorn-Teigen in der Maschine ist im Prinzip nicht viel anders als bei Teigen aus helleren Mehlen. Je nachdem wie fein oder grob das Mehl ist, desto kürzer oder länger sollte geknetet werden. Ein sehr grobes Mehl oder gar Schrot benötigt mehr Zeit in der Knetmaschine, bis sich Wasser und Mehl gut miteinander verbunden haben. Wir sprechen hier von ein paar Minuten mehr Knetzeit, auch hier sollte nicht übertrieben werden, um eine Überknetung zu vermeiden. Eine Autolyse bietet sich an, bei Schrot ist das vorherige verquellen in einem Quellstück oder Brühstück angebracht.
Vollkorn-Teige lösen sich oft nicht sauber von der Knetschüssel. Durch den hohen Schalenanteil sind Fremdkörper im Teig, die die Teigstruktur negativ beeinflussen. Dadurch sind sie etwas klebriger und haften gerne an der Wand, so wie im unteren Bild zu sehen. Wenn Roggenvollkornmehl im Spiel ist, dann ist das glatte Auskneten ohnehin nicht möglich. Durch die Schleimstoffe im Roggenvollkornmehl klebt der Teig relativ stark, je stärker je mehr Anteil Roggen.
Der Fenstertest ist aber auch bei Vollkornteigen möglich (Weizen). Dabei nimmst du mit feuchten Händen etwas vom Teig ab und versuchst vorsichtig den Teig auszuziehen, bis du fast durchsehen kannst. Dass ist das Indiz dafür, dass der Teig perfekt ausgeknetet wurde.
Fenstertest direkt in der Schüssel, direkt am Knethaken:
Vollkornteig, der sich nicht von der Schüsselwand gelöst hat. Ganz normal durch den Schalenanteil und hier auch durch einen Anteil Roggen:
Die Teigruhe von Vollkornbrot-Teigen
Durch den hohen Anteil an Schale und gegebenenfalls mehr Enzymatik (vor allem bei frisch gemahlenen Vollkornmehlen), kann dein Teig schneller reifen als bei Verwendung heller Mehle. Das trifft auch zu, wenn du deinen Sauerteig mit Vollkornmehl fütterst. Die Reifezeit verkürzt sich dadurch. Ich füttere meine Sauerteige auf Dauer immer nur mit 10% Vollkornanteil. Das macht ihn milder und gleichzeitig aromatischer.
Backen von Vollkornbrot
Schwere Vollkorn-Teige backen länger als luftig-leichte und helle Teige. Benötigt 1kg heller Brotteig ca. 50-55 Minuten im Ofen, kann es bei einem reinen Vollkornteig schon 10 Minuten länger dauern. Hier hilft die Verwendung eines Thermometers, damit du die Kerntemperatur bestimmen kannst (Amazon-Partnerlink) (96 bis 98 Grad bedeuten, dass das Brot durchgebacken ist; Achtung: Auch hier gilt, dass du das Brot trotzdem so lange backen solltest, wie ursprünglich geplant; ansonsten riskierst du eine zu schwache Kruste).
Wenn der Vollkorn-Teig nicht aufgeht
Schwere Teige haben weniger Volumen als leichte Teige. Ein sehr leichter Teig aus hellem Mehl kann das produzierte CO2 super halten und sich ähnlich aufblasen wie ein Luftballon. Das geht bei Vollkorn-Teigen zwar auch (also bei Weizen, bei Roggen nicht), allerdings nicht im gleichen Maße. Der Schalenanteil macht den Teig schwerer und dadurch ist er nie so voluminös.
Wenn der Vollkorn-Teig zu schnell abbaut
Wenn dein Vollkorn-Teig zu schnell reif wird und dann während der Teigruhe zügig abbaut, könnte das an einer zu hohen Enzymatik im Mehl liegen. Gerade bei selbst gemahlenem Mehl ist das gerne mal der Fall. Dieses sollte 2 Wochen abgelagert werden. Ansonsten reifen Vollkornteige generell schneller, so dass bei Rezepten die du auf Vollkorn umstrickst, die zu erwartende Reifezeit reduziert werden sollte.
Beispiel für einen Teig, der schon abgebaut hat:
Klebriger Teig beim Backen eines Vollkorn-Brots
Durch die Kleie im Mehl sind Störfaktoren im Teig vorhanden, die den Teig klebriger machen. Das ist selbst bei reinen Weizenteigen so, die ansonsten recht anspruchslos sind (solange nicht zu viel Wasser im Teig ist). Sobald Roggen im Spiel ist, wird der Teig, wie bereits angesprochen, deutlich klebriger und du kannst ihn nicht so einfach formen. Zügiges Arbeiten an den Stellen des Teigs, die bemehlt sind, machen das Aufarbeiten einfacher. Es ist also ganz normal, wenn dein Vollkornbrot-Teig etwas klebriger ist.
FAQ
Kann ich gekauftes Vollkornmehl 1:1 gegen selbstgemahlenes Vollkornmehl ersetzen?
Ja, aber das selbstgemahlene Mehl sollte 2 Wochen vor der Nutzung ablagern. Der Verlust an Vitaminen ist nicht relevant, weil durch den Backprozess diese ohnehin weitestgehend verloren gehen. Geschmacklich ist durch das Ablagern auch kein Nachteil zu erwarten. Selbstgemahlenes Mehl direkt kannst du in kleinerer Menge nutzen (zB Anteil von 10% auf das gesamte Mehl). Als Kochstück kannst du es so oder so immer verwenden, auch ohne vorheriges Ablagern. Die Enzyme gehen durch die Hitze kaputt.
Kann ich Auszugsmehle immer durch Vollkornmehle ersetzen?
Ja, wenn du mit mehr Wasser arbeitest und die oben genannten Feinheiten beim Kneten, Backen und Formen beachtest.
Kann ich ein Baguette mit Vollkornmehl backen?
Das geht auf jeden Fall. Ich empfehle dir dazu den Kurs über das Brotbacken mit Vollkornmehl von Bäckermeister Dietmar Kappl bei der Online-Kochschule 7hauben. Da siehst du Schritt für Schritt, wie du Vollkornbrot backen kannst, unter anderem das Rezept für ein Vollkorn Baguette.
Meine Vollkornbrote werden kompakt. Was kann ich tun?
Mehr Wasser wäre eine übliche Vorgehensweise, um Vollkornbrote luftiger und saftiger zu machen. Auch die perfekte Reifezeit und schonende Aufarbeitung (ohne zu viel Luft aus dem Teig zu drücken) helfen dein Vollkornbrot luftiger werden zu lassen. Verwende am besten Rezepte, die schon für luftiges Vollkornbrot konzipiert wurden. So wie zum Beispiel dieses Rezept für Weizen-Vollkornbrot:
Reifen Vollkornteige schneller oder langsamer?
Da sich in der Kornschale besonders viele getreideeigene Enzyme befinden, reifen Vollkornteige in der Regel schneller. Vor allem, wenn das Mehl frisch gemahlen wurde.
Ist Vollkornbrot gesünder?
Ja, Vollkornbrot kann als gesünder bezeichnet werden:
- wegen des höheren Ballaststoffgehalts
- wegen des niedrigeren Anstiegs des Blutzuckerspiegels
- weil es länger satt hält
- weil es mehr Mineralstoffe und Vitamine hat (vor allem wenn der Keim mit verbacken wurde), allerdings ist nach dem Backen nicht unbedingt viel davon übrig
Kann ich Vollkornbrot backen ohne Hefe?
Natürlich geht das. Vor allem dann, wenn dein Sauerteig fit ist. Ansonsten empfiehlt sich immer eine kleine Beigabe von etwas Hefe (zB 1g auf 500g Mehl).
Kann ich Vollkornbrot backen ohne Sauerteig?
Auch das geht natürlich. Das würde ich allerdings nur bei weizenlastigen Broten empfehlen (Roggenbrote brauchen Säure eines Sauerteigs). Über einen Hefe-Vorteig kannst du ein paar mehr Aromen ins Brot bringen.
Kriegt man von Vollkornbrot Blähungen und Bauchschmerzen?
Es gibt Menschen, die haben eine Art Unverträglichkeit gegenüber Vollkornprodukten. Herauszufinden wäre allerdings jeweils
- ob zu viel Vollkorn auf einmal aufgenommen wurde? Eine Schrittweise Erhöhung der Ballaststoffzufuhr in der eigenen Ernährung ist zu empfehlen, so dass sich die Verdauung darauf anpassen kann.
- ob die Unverträglichkeit auch bei selbst gebackenem Brot mit nur Sauerteig (ohne Hefe) und mit langer Reifezeit (6-24h) gegeben ist? Meist haben Menschen Probleme, wenn Brote zu kurz reifen.
Kann ich Körner und Saaten im Vollkornbrot-Rezept einbauen?
Das kannst du machen, idealerweise in Form eines Quellstücks. Hier habe ich dir alles zur Beigabe von Körnern und Saaten zu einem Brotteig beschrieben.
Das Bild ist wirklich nicht gut 🙂
Nein, Mehlnester sind es definitiv nicht. Ich forme nass in die Form, die ich zuvor mit Fett und Saaten auskleide.
Hier noch mal ein besseres Foto, um die Situation besser zu verbildlichen.
Das sieht mir alles sehr klitschig aus. Könnte zu viel Wasser gewesen sein oder die Versäuerung hat nicht gepasst. Vielleicht auch das Mehl mal in Frage stellen.
Hallo Rene,
vielen Dank für den tollen informativen Artikel. Eine Frage hätte ich: Ich backe wöchentlich Vollkorn-Kastenbrote mit selbst gemahlenem Dinkel VK-Mehl. Ich nutze ein Quellstück (200 g Saaten/Flocken und 400 g Wasser) sowie sehr wenig Hefe (ca. 3-4 g auf 1200 g Mehl) mit Autolyse und ca. 5-7 Stunden Reifezeit.
Die Brote gehen gut auf, aber ich habe sehr oft das Problem, dass sich in der Mitte etwas größere Löcher/Hohlräume bilden. Woran könnte das liegen? Hat es evtl. etwas mit der Enzymatik zu tun?
Das kann durchaus die Enzymatik sein, wenngleich ich das hier nicht denke (lagere dein selbst gemahlenes Mehl dennoch 2-3 Wochen ab um sicherzugehen). Es sieht mir auf dem Foto so aus, als wären da Mehlnester in der Mitte, kann das sein? Das Bild ist leider von schlechter Qualität, daher kann ich das nicht genau erkennen. Wenn ja, dann beim Formen weniger Mehl verwenden und nicht so viel davon in den Teig einarbeiten. Du kannst Kastenbrot-Teige auch feucht formen, ganz ohne Mehl.