Du erlebst gerade mal wieder die nächste Hitzewelle und hast Angst um deinen Sauerteig? Mit diesen Tipps kannst du deinen Sauerteig auch in der heißen Jahreszeit zuverlässig am Leben halten.
Ein Sauerteig verhält und entwickelt sich je nach Temperatur völlig unterschiedlich. Während ein warmer Sauerteig sehr schnell reift, milde Säure produziert und die Hefe pusht, weist ein kühler Sauerteig während und nach der Reife eher die Charakteristika auf sauer zu sein und verhältnismäßig triebschwach. Diese Stellschraube macht man sich daher zu Nutze, um die Aromatik und die Triebstärke des Sauerteigs zu steuern.
Was also mit etwas Erfahrung klar und gut einzuschätzen ist, ist für Anfänger schwerer zu durchschauen. Und gerade im Sommer, wenn deine Zutaten wärmer sind und die Raumtemperatur sowieso, macht es Sinn sich über das Thema Temperaturen in Teig und Raum schlau zu machen. Dabei möchte ich dir helfen und direkt zu Beginn auf die Risiken hinweisen, die sehr warme Temperaturen auf deinen Sauerteig haben können.
Risiken von sehr warmen Außen-Temperaturen auf deinen Sauerteig
Es geht hier in diesem Artikel nicht darum, ab welcher Temperatur dein Sauerteig bzw. die Mikroorganismen darin absterben würden. In der Regel sind unsere Außentemperaturen nicht so hoch, dass wir Teigtemperaturen jenseits der 40 Grad zu befürchten hätten. Unsere Milchsäurebakterien und Hefen sind also auch an heißen Tagen recht sicher vor dem Hitzetod. Es geht eher um folgende Haupt-Risiken, die heiße Außen-Temperaturen für Sauerteige mit sich bringen können:
- Sauerteige reifen viel schneller als gewohnt
- Mikroorganismen im Sauerteig verändern ihre Zusammensetzung
- Die Charakteristik des Sauerteigs verändert sich
Sauerteige reifen viel schneller
Je 5 Grad mehr reift ein Teig doppelt so schnell. Das ist auch bei einem Sauerteig so und betrifft sowohl die Temperatur im Raum, als auch im Teig. Das ist nur eine grobe Fausformel, aber im Grunde stimmt es: Wenn deine Zutaten im Sommer ein paar Grad mehr Temperatur haben und du keine Maßnahmen zur Kühlung unternimmst, wird dein Sauerteig im Sommer eine höhere Temperatur haben als zu den kühleren Jahreszeiten.
Dein Sauerteig hat dann vielleicht keine 24 Grad nach dem Anrühren, sondern plötzlich 28 Grad. Was bei einem Roggensauer noch super ist, ist bei einem Weizensauer oder gar Dinkelsauer zu viel Wärme. Der Sauerteig reift dann viel schneller auf und du musst höllisch aufpassen, dass er dir nicht überreif wird. Wieso? Überreife Sauerteige sind nicht mehr aromatisch harmonisch ausgesteuert und noch schlimmer: je nach Schwere der Überreife kann es sein, dass du deine Hefen und somit die Triebstärke dezimierst. Ist der Teig überreif, ist die Fermentation abgeschlossen und deine Mikroorganismen hungern. Auf Dauer verhungern sie sogar.
Und: Reifezeiten in Rezepten sind in dem Fall Makulatur, weil sie in der Regel für niedrigere Temperaturen angegeben wurden. Ein Brotteig, der bei 20 Grad reift und 6 Stunden Zeit benötigt, braucht bei 25 Grad schon nur noch 3 Stunden Zeit. Das muss beachtet und der Teig gut beobachtet werden.
Mikroorganismen im Sauerteig verändern ihre Zusammensetzung
Wie oben geschrieben kann sich die Zusammensetzung eines Sauerteigs stark verändern, je nach Führung. Bei kalt und lange geführten Sauerteigen dominieren die Milchsäurebakterien und bei warm und schnell geführten Sauerteigen eher die Hefen. Beispiel aus der Praxis: Ein Lievito Madre reift sehr warm und in kurzer Zeit. Er gilt als sehr mild, weil in der kurzen warmen Reifezeit wenig Essigsäure produziert wird (eher Milchsäuren) und weil sich die Hefen bei Wärme sehr stark vermehren.
Du kannst davon ausgehen, dass Sauerteige in wärmeren Gefilden im Schnitt eher mild und triebstark geführt werden, während in nordischen Gebieten eher saurere Sauerteige ihr Zuhause finden. Das ist stark verallgemeinert, hat aber schlicht etwas mit den üblichen Umgebungstemperaturen zu tun. Wobei in nordischen Gebieten der Roggen stärker in der Nutzung ist und daher ohnehin Sauerteige anders geführt werden.
Die Frage ist, wie wichtig dir diese „Problematik“ ist. Es ist nicht so, dass du nicht mit einem milden „Sommer-Sauerteig“ ein leckeres Brot backen könntest. Du kannst weiterhin die Säure über die Reifezeit des Hauptteigs steuern (zB mit kalter Übernachtgare mehr Aroma und Säure produzieren). Aber wenn du immer das gleiche Brotback-Ergebnis über das ganze Jahr hinweg suchst und eigentlich an gewohnten Reifezeiten festhalten möchtest, dann musst du entgegensteuern (mehr dazu weiter unten), damit auch die Mikroorganismen stabil im gegenseitigen Verhältnis bleiben.
8 Tipps um deinen Sauerteig bei Hitze richtig zu steuern und zu führen
Du siehst, es gibt ein paar Besonderheiten, die zu beachten sind, wenn es heiß draußen ist. Hier meine Empfehlungen, wie du deinen Sauerteig lebendig und aromatisch hältst:
- Nutze kühlere Zutaten im Sommer: Stelle dir Wasser in den Kühlschrank und setze deinen Sauerteig damit an (ggfs. auch das Mehl kalt stellen, wenn die Hitze extrem ist).
- Verwende mein Tool für die Schüttwasser-Temperatur. Die ist zwar eigentlich für Hauptteige, geht aber auch für Sauerteige.
- Lasse deinen Sauerteig im kühlsten Raum reifen, den du hast.
- Nutze ggfs. eine Kühlbox mit ein oder zwei Kühlakkus darin, um für ein paar Stunden eine kühlere Umgebung für den Sauerteig zu schaffen.
- Beobachte die Reifezeit des Sauerteigs und stelle ihn rechtzeitig wieder kalt, wenn er den Peak erreicht hat.
- Stelle ihn bei sehr hohen Temperaturen im Raum nach 2 Stunden Anspring-Zeit direkt kalt (beobachte, ob er so dann zuverlässig im Kühlschrank fertig reift).
- Verwende für die Fütterung oder das Ansetzen weniger Anstellgut als gewohnt oder im Rezept angegeben, so gleichst du die Zeitverkürzung aus.
- Stelle deinen Kühlschrank auf 5-6 Grad ein, damit sehr warme Teige dort schnell herunterkühlen und langsamer weiter reifen.
Sauerteig Kühlung per Kühl-Puck
Alicia von Roggenwolf hat mir ein paar ihrer Kühl-Pucks aus ihrem Shop zur Verfügung gestellt. Die passen auf nahezu jedes Sauerteig-Glas und können deinen Sauerteig für ein paar Stunden auf Temperatur halten, wenn du sie frisch aus dem Gefrierschrank holst. Hat dein Zimmer im Hochsommer 28 Grad, sind diese Pucks ideal, um die Sauerteig-Temperatur zu halten. Hier kannst du die praktischen Sauerteig-Helfer bestellen (*Partnerlink).
Fazit
Du kannst weiterhin deinen Sauerteig nutzen und führen und füttern, auch wenn es heiß draußen ist. Du musst nur darauf achten, dass die Reifezeit verkürzt, wenn du nicht über die Wassertemperatur oder andere Stellschrauben die Reifezeit „künstlich“ verlängerst. Wenn du die Charakteristik in deinem Sauerteig über die Jahreszeiten hinweg stabil halten willst, dann arbeite eben genau mit diesen Stellschrauben. So steht deinem Brotbacken im Sommer auch überhaupt nichts im Wege und du kannst gewohnt dein Lieblingsbrot backen.