Gerade Schichtarbeiter und Schichtarbeiterinnen haben Probleme das Brotbacken in ihren Alltag zu integrieren. Was ohnehin für den Einstieg komplex zu verstehen ist, wird durch unflexible Arbeitszeiten noch etwas verwirrender. Ich versuche dir hier etwas Licht ins Dunkel zu bringen.
Wenn man es sich genauer betrachtet ist Schichtarbeit in vielen Fällen ja nur eine Verschiebung der Arbeitszeit in andere Tageszeiten als es so üblich ist. Es sei denn die Schichtarbeit geht auch noch einher mit extra langen Schichten, die deine Planung nochmal erschweren dürfte. Es ist deine Aufgabe die verschiedenen Brotback-Schritte in deinen Tages-Rhythmus einzubauen, so dass am Ende Reifezeiten und Backzeiten (meist sind die eigentlichen Schritte zur Teigherstellung weniger relevant bei der Planung) ausreichend Puffer gegeben wird. Das ist alles machbar, erfordert aber ein Umdenken. Vor allem dann, wenn dann auch noch Schichten wechseln und du nicht konsistent die gleichen Arbeitszeiten hast.
Trotzdem sollte es möglich sein, dass du dein eigenes leckeres Brot bäckst, auch wenn du Früh-, Spät- oder Nachschicht arbeitest.
Zeitfenster fürs Brotbacken finden
Versuchen wir zuerst das passende Zeitfenster für dich zu finden, wann du dein Brot backen könntest. Je nachdem welche Art von Schicht du arbeitest. Ich nehme dabei fiktive Arbeitszeiten an, die bei dir natürlich variieren können:
Frühschicht (beispielsweise 6-14 Uhr)
Die Frühschicht ist noch sehr vergleichbar mit den üblichen Arbeitszeiten der meisten ArbeitnehmerInnen.
Du könntest Nachmittags und Abends sowohl den Teig zubereiten, als auch backen (ggfs. auch erst am nächsten Tag nach einer langen Teigreife im Kühlschrank). Gegessen wird das Brot dann in der Regel erst morgens, wenn es vollständig ausgekühlt ist. Das hängt aber auch vom Rezept ab. Es gibt auch Rezepte mit kurzer 3h Reifezeit, die es ermöglicht, dass du etwas später am Abend schon dein Brot anschneiden kannst.
Vorteige kannst du morgens vor der Arbeit noch schnell ansetzen, weil das schnell erledigt ist (also Hefe-Vorteig oder Sauerteig). Beides dauert nicht sonderlich lange und die Teige können dann über deine Schicht hinweg reifen. Voraussetzung: Du planst die richtige Menge an Hefe oder Sauerteig-Anstellgut ein.
Den Hauptteig knetest du dann nach deiner Schicht, dann reift dein entweder im Raum und wird noch am Abend gebacken oder du lässt den Teig nach der Stockgare in der Teigwanne und nach dem Formen im Gärkorb im 4-5 Grad kalten Kühlschrank über ca. 16-24h reifen. So kannst du am nächsten Tag nach der Arbeit den Ofen anheizen und dann direkt backen.
Möglicher Zeitplan für ein eines Weizen-Hefebrot mit Kochstück:
- 05:30 Uhr
Vorteig & Kochstück ansetzen Schnell vor der Arbeit (dauert nur 10 Minuten) - 14:15 – 14:30 Uhr
Hauptteig kneten - 14:30 – 17:30 Uhr
Stockgare bei Raumtemperatur In Teigwanne, ggf. 2-3× dehnen und falten - 17:30 Uhr
Formen und in Gärkorb legen -> Stückgare
Achtung: Jetzt kannst du entweder den Teig in den Kühlschrank stellen oder aber weitermachen und noch am selben Tag backen:
- 17:30 – 18:30 Uhr
Stückgare bei Raumtemperatur - 17:45 Uhr
Ofen aufheizen - 18:30 Uhr
Backen - ab 19:30 Uhr
Abkühlen & Lagern; am nächsten Morgen anschneiden
Spätschicht (beispielsweise 14-22 Uhr)
Bei der Spätschicht hast du den Vormittag frei und kannst somit direkt nach dem Aufstehen entweder deinen Teig zubereiten oder aber den Teig vom Vortag backen. Die meisten Spätschicht-Arbeiter werden die Zeit direkt nach der Schicht im Bett verbringen. Somit ist es eher unrealistischer, dass in dieser Zeit aufwendige Teigarbeiten gemacht werden. Das geht natürlich, aber üblicher wird sein damit loszulegen (bis auf Vorstufen, die schnell angesetzt sind), wenn du nach der Spätschicht geschlafen hast.
Sauerteige und Vorteige kannst du idealerweise direkt nach der Spätschicht schnell ansetzen. Sie reifen dann über deine Schlafenszeit hinweg bis zum nächsten Morgen. Morgens setzt du deinen Hauptteig an und lässt den Teig dann direkt aufreifen fürs Backen noch vor der nächsten Schicht. Mit etwas Timing kannst du dir dann das frisch gebackene Brot sogar mit zu einer nächsten Spätschicht in die Arbeit mitnehmen und deine KollegInnen verwöhnen.
Oder aber du packst den geformten Teigling (es würde auch ungeformt funktionieren) dann vor deiner nächsten Schicht kalt in den Kühlschrank. Nach 18-24 Stunden wird dieses Brot dann gebacken und erhält durch die lange Reifezeit ein tolles Aroma.
Möglicher Zeitplan:
- 22:30 Uhr
Vorteig & Kochstück ansetzen
Direkt nach der Arbeit, dauert nur 10 Minuten - 07:45 – 08:00 Uhr
Hauptteig kneten - 08:00 – 11:30 Uhr
Stockgare bei Raumtemperatur in Teigwanne, ggf. 2-3× dehnen und falten - 11:30 Uhr
Formen und in Gärkorb legen -> Stückgare
Achtung: Jetzt kannst du entweder den Teig in den Kühlschrank stellen…
…oder aber weitermachen und noch am selben Tag backen:
- 11:30 – 12:30 Uhr
Stückgare bei Raumtemperatur - 11:45 Uhr
Ofen aufheizen - 12:30 Uhr
Backen - ab 13:30 Uhr
Abkühlen & Lagern; nach der Schicht oder am nächsten Tag anschneiden
Optional: frisch gebackenes Brot mit zur Spätschicht nehmen
Nachschicht (beispielsweise 22-6 Uhr)
Die Nachtschicht ist eine Herausforderung, wenn es ums Brotbacken geht. Weil die meisten dann danach direkt schlafen gehen und somit sowohl die Nacht, als auch der Morgen fürs Brotbacken ansich ausfallen. Aber auch hier ist es einfach nur wichtig das passende Zeitfenster für die einzelnen Schritte zu finden. Das gute ist, dass mit Vorteigen immer viel Zeit gespart werden kann. Und diese Vorteige können entweder über die Schichtzeit oder Schlafenszeit oder auch beides hinweg geplant werden. Je nach Menge Anstellgut steuerst du die Reifezeiten und kannst dann nach dem Schlafen direkt loslegen mit dem Hauptteig.
Ich würde also immer entweder vor der Schicht oder direkt nach der Schicht Vorteige ansetzen. Sie reifen ja dann in Ruhe auf und sind fertig, wenn du morgens aufstehst. Dann würde ich den Hauptteig verkneten, den Teig in der Stockgare reifen lassen und dann nach der Stückgare nach dem Formen direkt backen. Oder aber auch hier direkt nach dem Formen in den Kühlschrank geben und bis nach der nächsten Schicht/Schlafkombi ausbacken.
Am Ende ist es auch hier nur eine Verschiebung der üblichen Zeitpläne, was aber zugegebenermaßen schon verwirrend sein kann.
Möglicher Zeitplan:
- 21:30 Uhr
Vorteig & Kochstück ansetzen
Noch vor der Arbeit, dauert nur 10 Minuten - 06:30 Uhr
Schlafen - 13:15 – 13:30 Uhr
Hauptteig kneten
Nach dem Aufstehen, möglichst frisch und ausgeruht - 13:30 – 16:30 Uhr
Stockgare bei Raumtemperatur
In Teigwanne, ggf. 2-3× dehnen und falten - 16:30 Uhr
Formen und in Gärkorb legen -> Stückgare
Achtung: Jetzt kannst du entweder den Teig in den Kühlschrank stellen oder aber weitermachen und noch am selben Tag backen:
- 16:30 – 17:30 Uhr
Stückgare
Bei Raumtemperatur - 16:45 Uhr
Ofen aufheizen - 17:30 Uhr
Backen - ab 19:00 Uhr
Abkühlen & Lagern; ggf. mit zur Arbeit nehmen
Wechselschichten
Ganz kompliziert wird es, wenn du auch noch Wechselschichten hast. Dann verringert sich ggfs. dein Zeitfenster und du musst das Beste daraus machen. Hier würde ich dir empfehlen nicht mehr mit Vorstufen zu arbeiten, sondern mit kleinen Hefemengen und einer sehr langen Kühlschrankgare in der Stockgare. D.h. du verknetest den Teig (zB 500g Mehl) mit max. 0.5% frischer Hefe. Nach 2 Stunden Reifezeit wird der Teig dann in den Kühlschrank gestellt. Nach deinen Schichten holst du den Teigling aus dem Kühlschrank und lässt ihn 2-3 Stunden aufwärmen. Dann wird er geformt und dann nach 1 Stunde im Gärkorb gebacken. Ob der Teig dann 24 Stunden im Kühlschrank lag oder länger ist nicht so wichtig, solange der Kühlschrank ausreichend kalt war (4-6 Grad max.)
No Knead – perfekt in stressigen Zeiten und bei Schichtarbeit
Über No Knead kannst du Brotteige sehr schnell ansetzen und dann ultraflexibel und unkompliziert reifen lassen. Einfach vermischen und dann stehen lassen, bis deine Schicht- und Schlafenszeit beendet ist. Die Dauer der Reife steuerst du über die Menge an Hefe- und / oder Sauerteig und die Temperatur im Raum und Teig (je wärmer, desto schneller geht es). No Knead Brote sind eine tollte Alternative, auch wenn sie selten perfekt werden im Vergleich zu einem Brot aus verkneteten Teig, dem mehr Aufwand gewidmet wurde. Ob 8 Stunden oder 12 Stunden oder gar 24 Stunden: Alles ist möglich mit No Knead Teigen und evtl. ist das die beste Methode für dich ein Brot während deiner Schichtarbeit zu backen.
Beispiel für ein No Knead Brot:
Vorteige und Nullteige
Hefe-Vorteige oder auch Sauerteige können noch 24-48 Stunden nach dem Ansetzen aus dem Kühlschrank heraus genutzt werden. Am besten sie reifen im Kühlschrank zu Ende und nicht im Raum, so bleiben sie triebstark. Sauerteige also relativ jung mit nicht zu viel Reife kalt stellen. Hefe-Vorteige mit sehr wenig Hefe ansetzen und nach 2 Stunden kalt stellen. Wenn du dann deinen Hauptteig ansetzt, kannst du diese Vorstufen aus dem Kühlschrank direkt in den Hauptteig geben.
Sogenannte Nullteige (also Kochstücke, Quellstücke und Brühstücke) kannst du ebenfalls nach dem Ansetzen und dem ggfs. Auskühlen kalt stellen und dann verwenden, wenn du sie brauchst. 24-48 Stunden sind hier kein Problem. Damit sparst du dir Zeit in deinem stressigen Alltag.
Achtung: bei vielen kalten Zutaten ggfs. die Wassertemperatur etwas erhöhen, damit der Hauptteig nicht zu kühl wird und dann zu lange Zeit bei der Reife benötigt.
Häufige Fragen zum Brotbacken bei Schichtarbeit
Was mache ich, wenn ich nicht rechtzeitig zum Backen zu Hause bin?
Gib den geformten Teig in den Kühlschrank – so kannst du die Stückgare verlängern und das Brot später backen, wenn du Zeit hast. Ideal auch bei Überstunden oder Verspätungen.
Kann ich den Teig auch über 24 Stunden reifen lassen?
Ja, bei geringer Hefemenge und kühler Lagerung ist eine Reifezeit von 24 bis 48 Stunden möglich. Dadurch gewinnt das Brot sogar an Aroma. Achte nur darauf, dass der Teig nicht überreif wird.
Was, wenn ich keine Zeit zum Dehnen und Falten habe?
Kein Problem – bei No Knead Broten ist das optional. Wenn du Zeit findest: super. Wenn nicht: der Teig geht trotzdem gut auf, solange die Reifezeit lang genug ist.
Ich komme immer zu spät zum Formen – ist das schlimm?
Solange der Teig noch nicht eingefallen ist, kannst du ihn trotzdem formen. War er schon zu lange bei Raumtemperatur, kannst du ihn einfach wieder zusammenfalten und neu gehen lassen.
Kann ich direkt aus dem Kühlschrank backen?
Ja, das geht! Wenn du im Gärkorb im Kühlschrank geparkt hast, einfach den Teigling vorsichtig in den heißen Topf oder auf den Stein geben – ohne Aufwärmen.
Ich bin oft zu müde zum Backen – gibt es eine einfachere Methode?
No Knead Rezepte sind wie gemacht für dich: abends Teig anrühren, morgens backen (oder umgekehrt). Minimaler Aufwand, maximale Flexibilität.
Was ist besser für Schichtarbeit: Hefe oder Sauerteig?
Beide gehen, es hängt eher von der Menge Triebmittel ab als davon, welches verwendet wird.
Zusammengefasst: generelle Tipps fürs Brotbacken, wenn du Schicht arbeitest
- Plane rückwärts: Überlege dir zuerst, wann du backen willst – und plane dann die Schritte davor.
- Backe zu normalen Arbeitszeiten und verschiebe diese Zeiten in dein Zeitfenster bei der Schichtarbeit.
- Kühlschrankgare nutzen: Sie macht dich unabhängig von Uhrzeiten. Bis zu 72 Stunden sind bei guter Teigpflege und je nach Triebmittel-Anteil möglich.
- Teige anpassen: Weniger Hefe bei langer Gare, mehr Hefe bei kurzer Gare. Sauerteige kannst du mit der Temperatur „steuern“.
- Vorteige und Kochstücke vorbereiten: Sie kannst du lange im Kühlschrank lagern.
- Backtag flexibel halten: Ein Brot, das morgens gebacken wird, kannst du auch mittags oder abends vorbereiten – du musst nur die Teigführung darauf abstimmen.
- Nutze No Knead in ganz stressigen Zeiten.