Viele meiner Rezepte arbeiten mit einer Übernachtgare im Kühlschrank. Aber eben nicht alle. Manche Einsteiger-Rezepte werden noch am selben Tag gebacken, an dem der Teig geknetet wurde. Die Frage kommt häufig, ob Teige dann auch über Nacht reifen können, damit am nächsten Morgen gebacken werden kann. Dabei gibt es das eine oder andere zu beachten.
Wenn ein Brot konzipiert wird, dann wird die Menge an Triebmittel an die Dauer der Reifezeit und auch an die Umgebungstemperatur hin angepasst. Beispiele:
- Backen noch am gleichen Tag, Reife im Raum (ca. 20-22 Grad)
Relativ hohe Menge an Triebmittel, um das Brot innerhalb von 2-8 Stunden backfertig gereift zu haben. - Backen am nächsten Tag, Reife im Raum (ca. 20-22 Grad)
Sehr niedrige Menge an Triebmittel, da ansonsten der Teig über die Dauer von 12-24 Stunden in die Übergare rutscht. - Backen am nächsten Tag, Reife im Kühlschrank
Niedrige bis mittelhohe Menge an Triebmittel, abhängig von der Temperatur des Kühlschranks (normal max. 5-6 Grad).
Du siehst, diese 3 typischen Vorgehensweisen nutzen unterschiedliche Triebmittelmengen an Hefe und/oder Sauerteig.
Was passiert, wenn du Brot-Teige einfach im Kühlschrank reifen lässt?
2 der beiden obigen Vorgehensweisen lassen sich nur dann in der kalten Kühlschrankgare umsetzen, wenn du die Menge der Triebmittel anpasst.
- Wenn das Rezept ursprünglich vorgibt, dass noch am selben Tag gebacken wird wie geknetet wurde, ist die angegebene Menge der Triebmittel ggfs. zu hoch für die kalte Übernachtgare. Du musst sie also nach unten korrigieren.
- Wenn das Rezept ursprünglich vorgibt, dass über Nacht im Raum die Stockgare stattfindet, ist die Menge an Triebmittel zu niedrig für die Kühlschrankgare. Dein Brot wird dann nicht schnell genug reifen und du wirst eine Untergare riskieren. Daher muss in diesem Fall die Menge an Hefe und/oder Sauerteig etwas nach oben korrigiert werden.
Wie muss die Menge an Hefe und/oder Sauerteig verändert werden, wenn der Brot-Teig im Kühlschrank reifen soll?
Bei Teigen, die dann nach dem Formen im Kühlschrank reifen sollen, versuche ich die Menge an Triebmittel niedrig zu halten, aber nicht zu niedrig. Beispiele:
- Sauerteig: 10 bis max. 20% des verwendeten Mehl versäuert (Weizen; Reine Roggenbrote eignen sich nur bedingt für die lange, kalte Gare)
- Hefe: Hier setze ich max. 0.5% der verwendeten Mehlmenge an: Beispiel 500g Mehl = max. 2.5g frische Hefe (davon 1g beispielsweise in einem Vorteig + 1-1.5g zum Hauptteig dazu)
- Sauerteig + Hefe: In der Kombination gehe ich auf 10% Sauerteig zum verwendeten Mehl + 0.1g bis max. 1g frische Hefe
Brotrezepte erst am nächsten Tag backen
Lange Rede, kurzer Sinn: Du musst die Triebmittelmenge prüfen, bevor du entscheidest, ob dein Teig über Nacht in den Kühlschrank gehen kann. Versuche das Rezept so anzupassen, dass die Mengen einigermaßen so sind, wie im letzten Punkt angegeben.
An Uwe Kirst, denk doch mal über eine Wärmflasche, alternativ eine Wasserflasche mit warmem Wasser nach und das Ganze dann in eine Wolldecke oder ein unbelegtes Bett.
Lieber René,
deine Beiträge auf Brooot.de sind für mich einfach eine Goldgrube! Vielen Dank für deine Expertise und auch die Mühe.
Zum Kühlschrankteig:
Ich habe längere Zeit nach einer Lösung gesucht, wie man ein Feierabendbrot backen kann, wenn die Zeit für Kneten, Falten und Stockgare einfach nicht ausreicht, und der Bedarf an frischem, selbstgebackenem Brot in der Familie groß ist.
Ich helfe mir bisher folgendermaßen: ich setze für 3 x Backen in der Arbeitswoche am Sonntag 3 kg Teig mit 6g Hefe und ohne Sauerteig an. Der Teig wird normal geknetet, 3x stretch and fold und dann aufgeteilt in 3 Portionen bei 6 Grad in den Kühlschrank. Stückgare dann zum Backtag mit dem Teig direkt aus dem Kühlschrank für ca. 1 Stunde während der Ofen aufheizt. Gebacken wird am Dienstag, Mittwoch und Donnerstag.
Die Ergebnisse sind soweit zufriedenstellend. Die Krume wird auch beim Donnerstagsbrot schön locker, obwohl der Teig im Kühlschrank ordentlich zulegt und beim Rundwirken wieder etwas Volumen verliert.
Ich verwende 1200g Bio Weizen 550, 600g Bio Roggen 1150, 1200g Wasser, 6g Hefe und 36g Salz.
Am Wochenende backe ich dann wieder mit Sauerteig und auch etwas anspruchsvollere Brote.
Das klingt doch super! Aber vielleicht versuchst du mal die Variante mit der Stückgare im Kühlschrank. Das hilft in der Regel bei der Krume.
Zunächst Danke für die guten Hinweise – es macht wirklich Freude, alles zu sehen und zu lesen. Nun kommt aber mein Problem: Der Standort ist Mexiko, konkret Xico (Veracruz) – 1300 m über NN. Die Temperatur im Haus liegt die meiste Zeit des Jahres zwischen 16 und 19 Grad. Das ,liegt an der Lage, denn rundum stehen riesige Bananenstauden, die alles beschatten. Es gibt hier nirgends keine Heizung, außer mal einem Heizlüfter. Einen Kamin hat das Haus nicht. Der Kühlschrank ist einheitlich in der Region hier auf 2 Grad geregelt. Den Gasherd anzuwerfen und danach im wieder abgekühlten Rohr Etwas ruhen zu lassen, geht halt nur so lange, bis die Raumtemperatur wieder erreicht ist, also vielleicht eine Stunde.
Frische Hefe ist illusorisch. Trockenhefe ist üblich und sehr gut. Sauerteig geht sicherlich auch. Bei Hefeteig für Kuchen funktioniert es ganz gut.
Gibt es eine Orientierung, was zu tun oder gar nicht erst zu versuchen ist?
Hallo Uwe, puh, da bin ich natürlich völlig unerfahren. Ich habe nie in dieser Umgebung gebacken. Grundsätzlich musst du dann mit den Temperaturen und Zeiten spielen. Teige mit gewärmtem Wasser ansetzen und ggfs. höher ansetzen, weil sie sich an die Umgebungstemperatur anpassen. Teige vor der Kühlschrankgare länger nach dem Formen anspringen lassen, damit sie im Kühlschrank überhaupt noch zu Ende reifen bei 2 Grad. Zum Backen in hoher Höhe gibt es hier noch Tipps: https://challengerbreadware.com/de/Brottechniken/Sauerteigbacken-in-gro%C3%9Fer-H%C3%B6he/