Ich schreibe diesen Artikel, während es draußen über 30 Grad hat und ich gerade einen Brotteig mit 20 Grad Teigtemperatur angesetzt habe. Wie das möglich ist und mit welchen einfachen Tricks du trotzdem Brot backen kannst, obwohl es draußen zu hohe Temperaturen hat, zeige ich dir hier.
Raum- oder Teigtemperatur senken beim Brotbacken
Kurze Basics dazu: Wieso sollte man darauf achten, dass der Brot-Teig nicht zu schnell bei Hitze reift? Weil schnelle Reife immer mindestens 2 negative Folgen hat:
Das Brot schmeckt nicht so gut
Je kürzer die Reifezeit, desto weniger Aroma kann sich bilden. Erst über Zeit wird ein Brot lecker. Das ist die Grundvoraussetzung aller Brote, die ich hier im Blog habe: Eine Mindestzeit von 3-4 Stunden in der Stockgare, damit sich Aromen bilden können. In der Regel überschreite ich diese Mindestzeit deutlich, weil bei 7, 10, 24 oder gar 48 Stunden Reifezeit geniale Aromen entstehen, die man ansonsten schlichtweg nicht ins Brot bekommt. Den Teig kühler zu halten und so die Reifezeit zu verlängern ist also vor allem für den Geschmack von Bedeutung.
Das Brot ist schlechter verträglich
Brote die schnell reifen sind schlechter verträglich. Erst über ein paar Stunden Reifezeit bauen sich unverträgliche Verbindungen und Stoffe ab, die bei Menschen Bauchschmerzen verursachen können. Es geht am Ende also auch ein wenig um deine Gesundheit, wenn du versuchst die Reifezeit in die Länge zu ziehen.
Wieso reift Brot-Teig bei Hitze schneller?
Durch 5 Grad mehr Wärme halbiert sich die Reifezeit eines Teigs. Das liegt daran, dass sich durch die Wärme die Hefen deutlich schneller vermehren und ihre Arbeit verrichten. Hier sind sowohl die Raumtemperatur, als auch die Teigtemperatur gemeint. Du solltest also versuchen deine Temperaturen zu überprüfen und zu kontrollieren. Nur so kannst du auch den Angaben in Rezepten folgen, die in der Regel für normale Temperaturen ausgelegt sind. Wie hoch Teig- und Raumtemperaturen so sein sollten, liest du ganz unten.
Übergare bei Brotteigen durch zu viel Wärme
Die Gefahr der Übergare eines Brotteigs ist bei hohen Temperaturen deutlich größer. D.h. ist der Teig bei der Bildung des Teiggerüsts über den Zenith, baut dieses langsam aber sicher wieder ab. Je wärmer, desto schneller passiert das. Das Ergebnis kann dann folgendermaßen aussehen. Es ist kaum mehr möglich mit einem Teig wie diesem ein anständiges Brot (außerhalb eines Kastens) zu backen:
Tipps für kühleren Teig und Raum beim Brotbacken
1. Kaltes Schüttwasser verwenden
Das Wasser macht einen großen Anteil am Teig aus. Bis über 40% Wasseranteil sind nicht ungewöhnlich. Natürlich macht dann auch die Temperatur des Wassers einen großen Unterschied. Leitungswasser liegt im Schnitt bei ca. 15 Grad. Das kann schon zu viel sein im Hochsommer, weil durch andere Zutaten und das Kneten dann die Temperatur schnell in die Höhe geht. Im Kühlschrank kühlst du auf 5-6 Grad herunter. Ich habe immer etwas Wasser im Kühlschrank im Sommer. Das verwende ich dann für meine Teige.
2. Mehl kühlen
Wenn Wasser so einen hohen Anteil an der Gesamtmenge hat, dann hat das Mehl noch einen größeren. In besonders heißen Zeiten kannst du über Nacht dein Mehl in den Kühlschrank stellen. Ansonsten hat das Mehl nämlich Raumtemperatur. Was im Sommer dann doch auch mal Richtung 25-26 Grad oder mehr gehen kann. Lagere dein Mehl generell kühl.
3. Knetschüssel kühlen
Und weil der Knetvorgang Reibungswärme an den Teig abgibt, kannst du die Knetschüssel vor dem Kneten herunterkühlen. Entweder im Kühlschrank, wenn du dafür Platz hast oder aber mit ein paar Kühlakkus. Meist reicht da eine halbe Stunde Kühlung, weil das Metall die Kälte schnell annimmt.
4. Vorteige kühlen vor Verwendung
Wenn du Vorteige herstellst (wie Sauerteig, Poolish oder ähnlich) kannst du diese nach der Reife nochmal für 1-3 Stunden in den Kühlschrank stellen, bevor der Hauptteig angesetzt wird. Von der Power verlierst du so schnell nichts. Hefevorteige können nach 2 Stunden Anspringen im Raum ohnehin im Kühlschrank zu Ende gereift werden.
Vorteige wie diese lassen sich kurzfristig herunterkühlen ohne Triebkraft zu verlieren.
5. Autolyse im Kühlschrank machen
Über die Autolyse wird der Großteil an Mehl vorverquellt. Das hilft beim Kneten, hilft dem Glutengerüst und am Ende der Krume und Kruste. Du kannst den kompletten Autolyseteig am Vorabend ansetzen und dann im Kühlschrank lagern lassen. Das sorgt dann ganz nebenbei auch noch dafür, dass du mehr Aromen ins Brot bringst.
Dieser Autolyseteig kann Nachts im Kühlschrank reifen (Achtung: Immer direkt auf dem Teig mit Frischhaltefolie abdecken)
6. Kürzer kneten
Und mit dem Tipp der Autolyse habe ich gerade einen Teig in 6 Minuten geknetet. Durch das Vorverquellen wird schon so viel Teiggerüst aufgebaut, dass du schlichtweg kürzer kneten musst. Dann kann aus einem 12 Minuten-Standard-Knetvorgang schon mal eben ein deutlich kürzerer werden. Je kürzer du knetest, desto kühler bleibt der Teig.
Alternativ kannst du auch nur kurz kneten und dann anschließend mit Dehnen und Falten arbeiten. Durch das Aufziehen und wieder zusammenlegen des Teiglings von 4 Seiten wird das Teiggerüst gestrafft und am Ende entsteht der gleiche Effekt wie bei einer längeren Knetung, nur ohne die Reibungswärme der Maschine. Gerade im Sommer macht das Sinn oder auch, wenn das Mehl etwas mimosenhaft auf zu viel Knetung reagiert (zB bei Dinkelmehl).
7. Der Kühlakku-Trick
Wenn es im Raum zu warm ist (> 24 Grad) stelle ich meinen Teig gerne in den ausgeschalteten Ofen, in den ich 3 Kühlakkus lege. Das kühlt den Ofen auf 20-21 Grad herunter. Für ein paar Stunden reichen die Akkus aus. Das Gleiche kannst du in einer Kühltasche oder Kühlbox machen. Alles was so ein wenig isoliert und groß genug ist, ist passend.
8. Früh morgens Teig kneten
Morgens ist es im Sommer noch kühl. Nutze die frühe Zeit um den Teig anzusetzen. Vielleicht vor dem Homeoffice oder vor dem Wocheneinkauf.
9. Stockgare in anderem Raum
Der Teig muss nicht in der Küche stehen während der Stockgare (auch nicht während der Stückgare). Wenn du einen kühlen Keller hast, stell ihn dort hin. Zum Dehnen und Falten und anderen Arbeiten holst du ihn dir nur kurz in die warme Küche.
10. Teig an kühlen Tagen vorbereiten
Wenn du weißt, dass es am folgenden Tag heiß wird und du unbedingt backen willst, dann suche dir ein Rezept, bei dem du die Stückgare im Kühlschrank hast. D.h. du bereitest alles am Vortag vor, der Teig wird geformt und kommt so in den Kühlschrank. Am heißen Backtag bäckst du dann direkt aus dem Kühlschrank heraus.
Brot, das über Nacht kalt gereift und direkt am nächsten Morgen gebacken wurde
11. Sehr früh backen
Wenn du früh aufstehst und dein Brotteig schon im Kühlschrank über Nacht gereift ist, kannst du dein fertig gebackenes Brot aus dem Ofen ziehen, bevor die Hitze zuschlägt.
12. Sehr spät backen
Alternativ kannst du auch dein Brot so planen, dass es dann gebacken wird, wenn du ohnehin nicht mehr in der Küche unterwegs bist. Backe einfach, wenn du schon zum Spät-Abend-Programm übergegangen bist und lasse dann nach dem Backen den Ofen und den Raum über Nacht bei offenem Fenster auskühlen.
13. Mit einem Ventilator arbeiten oder für Durchzug sorgen
Es klingt banal, aber du kannst beim Backen mit einem Ventilator die heiße Luft nach draußen pusten oder aber du sorgst während dem Backen für ausreichend Durchzug, weil die Ofenhitze, die in die Küche gelangt, in der Regel immer noch wärmer ist, als die Luft von Außen.
14. Kleinere Brote backen
Reduziere die Backzeit durch kleinere Brot-Laibe. Je kürzer du bäckst, desto weniger Hitze produzierst du.
15. Backe mit etwas weniger Hitze
Auch wenn üblich ist zu Hause Brote bei 250 Grad zu backen, kannst du ausnahmsweise auch mal Brote bei 220 oder 230 Grad backen. Oder auch Kastenbrote, die generell bei niedrigerer Temperatur gebacken werden.
16. Vorheizzeit verkürzen
45 bis 60 Minuten ist die übliche Zeit, die du für das Aufheizen deines Ofens mit einem Backstein einplanen solltest. Bei heißen Temperaturen reicht auch mal das Aufheizen für 35 bis 40 Minuten. Wenn der Backstein nicht so dick ist, reicht das ohnehin in der Regel. Mit einem Backstahl oder einem gusseisernen Topf kannst du auch die Aufheizzeit auf 30 Minuten verkürzen. Je kürzer der Ofen an ist, desto weniger Hitze hast du im Raum.
Typische Teigtemperaturen beim Brotbacken
Wie hoch sollten die Teigtemperaturen eigentlich sein beim Brotbacken?
Weizenbrote 21 – 26°C
Mischbrote 24 – 28°C
Roggenbrot 27 – 29°C
Schrotbrote 28 – 30°C
Temperaturen über 30 Grad sollten vermieden werden, weil sie negative Auswirkungen auf Aroma, Verträglichkeit, Krume, Kruste, Farbe, Frischehaltung haben.
Wie warm ist der Raum in der Regel, in dem Brotteig geführt wird?
Ich versuche meine Teige bei max. 23 Grad reifen zu lassen. Wobei eher Richtung 20 Grad mein Ziel ist. So sind lange Teigreifen im Raum möglich. Die Stückgare kann durchaus ein paar Grad mehr vertragen. Bei der kalten Reife im Kühlschrank ist meine Ziel-Temperatur immer bei 5-6 Grad. So reift der Teig in 14-48 Stunden, je nachdem wie lange er nach dem Formen im Raum schon angegangen ist.
Hallo René!
Backe seit kurzem selbst dank deiner Rezepte 🙂 Vorwiegend das Weizenbrot!
Wenn man dann im Sommer den Teig im Kühlschrank reifen lässt, benötigt es dann weniger Hefe wie sonst? Wenn ja, wie viel weniger? Die Hälfte?
Nächste Frage wäre: Wird der Teig dann nach dem Kühlschrank erst gefaltet nach jeweils 30, 60 und 90 min und dann wieder für 1,5 Stunden in den Kühlschrank?
Über eine Antwort wäre ich sehr dankbar 🙂
Lg, Larissa
Hi, um welches Rezept genau handelt es sich?
Danke für die wirklich sehr nützlichen Tipps, um auch im Sommer gutes Brot backen zu können.
Ich halte mich beim Backen von Baguette an folgende Formel;
T° de base um einen Teig von 24°C zu erhalten (Knetmethode P.A.)
Raumtemperatur 26°C – 24°C = T° de base 54°C
Raumtemperatur 23°C – 21°C = T° de base 56°C
Raumtemperatur 20°C – 18°C = T° de base 58°C
T° Wasser = T° de base – T° Mehl – T° Raum
Und manchmal braucht es dann Eiswürfel im Wasser
Gute Formel. Danke dir!