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Die Säure im Sauerteigbrot steuern: Von mild bis sehr sauer

Du möchtest wissen, wie Du den Geschmack Deines Sauerteigbrotes gezielt steuern kannst? Ein gutes Sauerteigbrot lebt vom Zusammenspiel von Aromen, der richtigen Säure und einer ausgewogenen Textur (und der Kruste nicht zu vergessen). Ob mild oder sehr sauer – mit ein paar gezielten Techniken lässt sich die Säure im Brot anpassen. 

In diesem Artikel gehen wir Schritt für Schritt durch die wichtigsten Faktoren, die den Säuregehalt in Deinem Sauerteig beeinflussen, und schauen uns an, wie Du diese gezielt steuern kannst. Damit du bei deinen nächsten Broten steuern kannst, wie sauer oder mild (zu milden Broten habe ich einen extra Artikel für dich geschrieben) sie werden und auch erkennst, wo der Fehler gelegen hat, wenn das Brot mal anders sauer ist, als du dir das gewünscht hast.

Die Mikroorganismen im Sauerteig: Hefen und Bakterien

Die Basis für ein gutes Sauerteigbrot liegt im Zusammenspiel und Verhältnis von Hefen und Milchsäurebakterien. Diese Mikroorganismen erzeugen Milchsäure und Essigsäure, die den Geschmack Deines Brotes bestimmen.

  • Milchsäure ist für einen milden Geschmack verantwortlich und entsteht eher bei wärmeren Bedingungen.
  • Essigsäure hingegen bringt mehr Schärfe und Säure ins Brot und wird vor allem bei kühleren Temperaturen gebildet. 

Um den Säuregrad zu steuern, ist es also entscheidend, die Balance zwischen diesen beiden Säuren zu kennen und gezielt anzupassen.

Die Temperatur des Starters: Warm für mild, kühl für mehr Säure

Die Temperatur ist einer der wichtigsten Faktoren, um die Säure im Sauerteigstarter (Anstellgut) zu beeinflussen. Warme Bedingungen (Temperatur Raum oder Schüttwasser) fördern Milchsäure, während kühlere Temperaturen mehr Essigsäure erzeugen.

  • Hohe Temperaturen (zwischen 26 und 30°C) lassen einen milden Starter entstehen. Der Sauerteig reift dadurch auch deutlich schneller. Das wird zB beim Lievito Madre gemacht oder auch bei Roggensauerteigen, die ansonsten eine zu saure Note beisteuern würden.
  • Kühle Temperaturen (zwischen 18 und 22°C) verstärken die Essigsäure und führen zu einem intensiveren Geschmack.

Experimentiere hier ruhig, indem Du Deinen Starter an verschiedenen Orten ruhen lässt, wie im Kühlschrank oder in der Küche oder auch auf deinem WLAN Router. Schon kleine Temperaturunterschiede beeinflussen die Säure (und auch die Dauer der Reife).

Die Menge des Anstellguts beeinflusst die Dauer der Reife

Wenn die Temperatur für die Reifezeit und folglich für die Säurespiele des Sauerteigs verantwortlich sind, ist es auch die Menge des Anstellguts. Es macht einen Unterschied, ob du deinen Sauerteig mit viel oder wenig Anstellgut ansetzt. Hast du 10g Anstellgut auf 100g Mehl und Wasser reift der Sauerteig viel langsamer, als würdest du 20g Anstellgut auf die gleiche Menge Mehl und Wasser verwenden. Je mehr Anstellgut du im Verhältnis zu Mehl und Wasser verwendest, desto schneller reift der Sauerteig und desto milder wird er. 

Die Menge des Sauerteigs im Hauptteig: Wenig für mild, mehr für intensiver

Die Menge des Sauerteigs, die Du im Hauptteig verwendest, kann die Säure ebenfalls beeinflussen.

Bei gleich langer Reifedauer gilt:

  • Weniger Sauerteig (10–15 % der Gesamtmehlmenge) lässt das Brot milder werden.
  • Mehr Sauerteig (bis zu 30 %) erhöht die Säure und führt zu intensiveren Aromen.

Natürlich wäre auch ein Brot, welches theoretisch mit 100% Sauerteig angesetzt wird, sehr sauer. Aber faktisch kommt das natürlich darauf an, wie sauer der verwendete Sauerteig ist und wie lange der Teig reift. 

Bei erhöhtem Sauerteiganteil verkürzt sich auch die Reifezeit, so dass kürzer fermentiert werden muss und dadurch die Säure wieder reduziert wird. Ein Grund, wieso roggenlastige Brotteige mit viel Sauerteiganteil und bei höheren Temperaturen fermentiert werden. Die Reifezeit verkürzt sich, die Säure bleibt im Rahmen.

 

Die dauerhafte Sauerteigführung entscheidet über eine Grund-Aromatik

So wie dein Sauerteig auf Dauer gefüttert wird, so wird er auch in der Grund-Aromatik sein. Fütterst du immer warm mit hohem Anstellgut-Verhältnis ist der Anteil Milchsäure deutlich erhöht im Verhältnis zur Essigsäure. Dein Sauerteig hat dann einen sehr milden Charakter, der sich beim Backen dann auch im Brot erkennbar macht. Wenn du immer mit sehr wenig Anstellgut fütterst und sehr lange und eher kühl reifen lässt, ist dein Sauerteig eher von der sauren Sorte und deine Brote später auch (auch wenn du dann den eigentlichen Sauerteig für dein Brot anders fütterst hat es einen Einfluss auf die finale Brot-Säure, wie sauer der Grund-Sauerteig war).

Die Fermentationszeit: Mehr Zeit, mehr Geschmack

Die Länge der Fermentation ist ein weiterer Schlüsselfaktor. Längere Fermentationszeiten führen zu einer stärkeren Säureentwicklung.

Ein kurz fermentierter Teig (4–6 Stunden) ergibt ein mildes Brot. Längere Fermentationen, besonders bei kühlen Temperaturen, verstärken die Säure und verleihen dem Brot komplexere Aromen. Ein beliebter Trick zur Säureregulierung ist die kalte Übernachtgare im Kühlschrank. Das langsame Gären bei niedrigen Temperaturen fördert die Essigsäureproduktion und bringt mehr Säure und Geschmack ins Brot. Bei der Übernachtgare bei Raumtemperatur entstehen hingegen mildere Aromen, wenngleich ein lange im Raum gereiftes Sauerteigbrot durchaus auch in die Richtung „sehr sauer“ abdriften kann (zB bei sehr lange gereiften roggenlastigen Broten).

Kalte Fermentation des Brotteigs: Säure und Aroma vertiefen

Die kalte Fermentation des Brotteigs ist eine bewährte Methode, um nicht nur die Säure, sondern auch die Komplexität des Aromas zu intensivieren. Ein längeres Gehen im Kühlschrank (oft 12–24 Stunden) bringt mehrere Vorteile:

  • Erhöhte Essigsäureproduktion: Die kühlen Temperaturen fördern die Essigsäureentwicklung, was zu einer intensiveren Säure führt.
  • Langsamere Hefeaktivität: Bei niedrigen Temperaturen verlangsamt sich die Aktivität der Hefen und Bakterien. Dadurch reifen die Aromen besonders tief und voll aus.
  • Textur und Krume: Durch die lange Gärzeit wird die Krume schöner ausgebildet. Eine schönere Textur spielt ein in das Geschmacksbild des Brotes.

Für die kalte Fermentation formst Du den Teigling wie gewohnt und lässt ihn im Kühlschrank eingepackt gehen. So erhältst Du am nächsten Tag ein Brot mit kräftigem Aroma und ausgeprägter Säure. Weiterer Vorteil: Eine mögliche Übergare wird bei kalter langer Gare unwahrscheinlicher, weil der Reifeprozess stark ausgedehnt wird.

So kommt der Sauerteig-Brotteig für 12 bis 24 Stunden in den Kühlschrank:

Teig im Gärkorb in einem Gefrierbeutel mit Luft: So reift der Teig langsam in der kalten Umgebung im Kühlschrank.

Die Wassermenge im Starter: Milde oder intensive Säure

Auch die Hydration des Starters beeinflusst die Säureproduktion.

Ein feuchter Starter (z. B. mit einem Hydrationsverhältnis von 100 %) fördert Milchsäure und führt zu einem milderen Geschmack.
Ein fester Starter (z. B. mit 50–60 % Wasseranteil) regt die Essigsäureproduktion an und gibt dem Brot mehr Säure (außer er wird, wie bei einem Lievito Madre, schnell und warm geführt).
Wenn Du ein Brot mit milder Säure möchtest, arbeite mit einem flüssigeren Starter. Bei einem festen Starter erhältst Du hingegen eine intensivere Säure, besonders wenn er kalt fermentiert wird.

Ein Lievito Madre: Fester Sauerteig:

Die Länge der Übernachtgare: Kalte vs. warme Übernachtgare

Die Länge und Temperatur der Übernachtgare bieten Dir die Möglichkeit, den Geschmack Deines Brotes gezielt zu formen. Es gibt zwei Hauptvarianten:

  • Kalte Übernachtgare im Kühlschrank: Diese Methode eignet sich besonders gut, wenn Du ein intensives, säuerliches Aroma erzielen möchtest. Die Essigsäureproduktion wird gefördert, und das Brot entwickelt eine tiefere, komplexere Säure. Lass den Teigling dabei 12–24 Stunden im Kühlschrank ruhen.
  • Übernachtgare bei Raumtemperatur: Wenn Du eine mildere, abgerundete Säure bevorzugst, kannst Du den Teigling bei Zimmertemperatur über Nacht gehen lassen. Dies limitiert die Essigsäureproduktion im Vergleich zur Kühlschrankgare (wegen der kürzeren Reife) und führt zu einem sanfteren Geschmack (vor allem bei weizenlastigen Broten). Die Fermentation bei Raumtemperatur sollte jedoch nicht länger als 8–10 Stunden dauern, damit das Brot nicht überfermentiert und nicht doch zu sauer wird. No Knead Brote werden häufig lange im Raum fermentiert.

Beide Methoden bieten unterschiedliche Geschmacksprofile, also probiere beide aus und finde die Variante, die Dir am besten gefällt. Ich bevorzuge die sicherere Variante im Kühlschrank. Das Übergare-Risiko ist deutlich minimiert. 

No Knead-Teig mit Übergare:

Das Alter des Starters: Jung und mild oder reif und intensiv

Das Alter des Starters beeinflusst ebenfalls die Säure im Brot. Ein junger Starter schmeckt oft milder, da sich die Mikroorganismen noch nicht voll entwickelt haben, während ein reifer Starter mehr Säure erzeugt.

  • Ein junger Starter kann bereits nach wenigen Stunden erneut gefüttert und verwendet werden, um milde Aromen zu erreichen (er sollte aber dennoch schon reif gewesen sein; einen unreifen Starter füttert man nicht zu früh erneut).
  • Ein reifer Starter – etwa 12 bis 24 Stunden nach dem Füttern – bringt mehr Säure ins Brot, da die Mikroorganismen in voller Kraft arbeiten.
  • Altes Anstellgut wird mit der Zeit weniger aktiv und aber auch saurer. Es kann eingesetzt werden, um in einem Brotteig zusätzliche Säure ins Spiel zu bringen. Idealerweise unterstützt von etwas Hefe. Das Anstellgut sollte aber nicht zu alt sein, weil die Aromen dann ins Negative drehen.

Die Wahl des Mehls: Weizen und Roggen für unterschiedliche Säure

Die Mehlsorte beeinflusst den Geschmack ebenfalls stark. Unterschiedliche Mehle bieten unterschiedliche Nährstoffe für die Mikroorganismen.

  • Weizenmehl erzeugt eine mildere Säure und eignet sich gut für sanftere Brote.
  • Roggenmehl hingegen bringt mehr Säure ins Brot, weil bei der Fermentation mehr Essigsäure entsteht.

Für ein kräftigeres Brot nutze also Roggenmehl oder einen hohen Roggenanteil. Wenn Du mildere Brote bevorzugst, sind Weizen oder Dinkelmehle ideal. Durch die Kombination von Mehlen kannst du die Säure ebenso beeinflussen.

Roggenbrot ist saurer als Weizenbrot, es sei denn die Säure wurde korrekt heruntergeregelt durch kurze Reifezeiten:

Roggenbrot mit der typisch feinen Krume

Die Wassermenge im Hauptteig: Einfluss auf Textur und Geschmack

Auch die Hydration im Hauptteig beeinflusst die Säure im Brot, wenn auch indirekt. Ein sehr hydratisierter Teig fermentiert schneller und kann die Säureentwicklung beschleunigen. Für mildere Brote kannst Du mit einem etwas festeren Teig arbeiten. Hohe Hydration erhöht die Säureentwicklung und führt zu einer feuchten, elastischen Krume.

Zusammenfassung: Deine Optionen für den perfekten Säuregrad

Hier noch einmal die wichtigsten Aspekte zur Steuerung des Säuregehalts:

  • Temperatur des Starters: Warm für mild, kühl für sauer.
  • Fermentationszeit: Kurz für mild, lang für intensiver.
  • Hydration des Starters: Höher für mild, niedriger für sauer.
  • Kaltes oder warmes Übernachtgehen: Kühlschrank für intensiver, Raumtemperatur für milder.
  • Alter des Starters: Jünger für mild, reifer für kräftig.
  • Mehlwahl: Weizen für mild, Roggen für sauer.
  • Menge des Sauerteigs im Hauptteig: Weniger für mild, mehr für sauer.
  • Hydration im Hauptteig: Fest für mild, feucht für intensiver.

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Über mich

Mein Name ist René und eigentlich würde ich mich niemals selbst als Bäcker bezeichnen. Aber für meine Familie bin ich „der Bäcker“. Und weil mir das Backen von Brot unendlich Freude bereitet, versuche ich hier für mich und andere eine Sammlung an Brotback-Wissen und vielen Rezepten zu schaffen. Viel Spaß damit!

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