Die Wassertemperatur für deinen Brotteig ist nicht unwichtig. Über die Temperatur des Schüttwassers wird so einiges gesteuert. Hier erfährst du, wann dein Wasser kalt sein sollte und wann warm.
Zu Beginn meiner Brotbäckerei habe ich auf die Prüfung und Steuerung von Wassertemperaturen keinen Wert gelegt. Ich habe einfach das Wasser aus dem Hahn genommen und hätte auch gar nicht gemerkt, wenn ich dadurch etwas falsch gemacht hätte. Weil es auch in vielen Fällen kein Problem ist so zu verfahren. Das Wasser einfach so aus dem Hahn zu nehmen, egal welche Temperatur es hat, hat meistens keine schlimmen Auswirkungen. Leitungswasser das auf kalt eingestellt ist, hat bei uns eine Temperatur zwischen 10 und 15 Grad. Im Sommer ggfs. mal 2 Grad mehr, im Winter mal 2 Grad weniger. Viel wärmer oder kälter wird es nicht. Damit kann ich arbeiten, wenn ich Brot backen will. Es funktioniert meistens…aber eben nicht immer und nicht immer ideal.
Wieso ist die Wassertemperatur beim Brotteig wichtig?
Über die Wassertemperatur wird hauptsächlich die Teigtemperatur geregelt. Ist das Wasser sehr kalt, bleibt der Teig kühl. Ist das Wasser sehr warm, wird auch der Teig warm sein. Und je kühler oder wärmer, des langsamer oder schneller reift der Teig. Hast du es eilig, kannst du bedingt über wärmeres Wasser die Reifezeit verkürzen (auf Kosten von Aroma, weil kurze Reifezeiten immer weniger Aroma bedeuten). Willst du ein leckereres Brot und willst daher den Teig dafür länger reifen lassen, kannst du die Wassertemperatur kühler wählen und somit den Teig wiederum kühler halten. Bei 5 Grad mehr halbiert sich die Reifezeit des Teigs. Bei 5 Grad weniger verdoppelt sich die Reifezeit. Ganz grob:
D.h., wenn dein Teig bei 20 Grad Teigtemperatur 5 Stunden brauchen würde, wären das bei 25 Grad Teigtemperatur noch 2,5 Stunden und bei 15 Grad Teigtemperatur ganze 10 Stunden. Du verstehst das Prinzip. Nun gibt es noch mehrere Faktoren, die auf die Reifezeit Einfluss haben, wie
- Triebmittel
- Menge Triebmittel
- Mehlsorte
- Hydration
- Teigmenge
- Raumtemperatur
- etc.
Alles Faktoren zusammen, gemeinsam mit der Temperatur des Schüttwassers, ergeben am Ende eine Reifezeit, die es zu steuern gilt. Über die Wassertemperatur kannst du das am einfachsten bewerkstelligen.
Die Wassertemperatur im Sommer und Winter
Im Sommer sind in der Regel die Zutaten für das Brot wärmer. Das Mehl, das Salz und auch das Wasser aus dem Hahn. Alles hat ein paar Grad mehr als im Winter, auch der Raum in dem der Teig reift natürlich. Ein Rezept, das im Winter super funktioniert hat, kann ohne Hinterfragung der Schüttwassertemperatur im Sommer plötzlich schief gehen. Der Teig wird überreif, läuft breit auf dem Backstein. Du holst einen Fladen aus dem Ofen, statt einem schön aufgegangenen Brot. Die Reifezeit muss im Sommer also gegebenenfalls gekürzt oder aber das Wasser gekühlt werden (oder die Menge Triebmittel angepasst…).
Andersherum ist das Drama im Winter nicht ganz so schlimm, aber durchaus zu beachten: Durch kühlere Zutaten verlängert sich die Reifezeit und wenn du dich sklavisch an die Rezeptvorgaben hältst, besteht eine gewisse Gefahr, dass du deine Teige zu früh verarbeitest und durch Untergare unschöne Krumenbilder zustande kommen.
Ich gebe bei meinen Rezepten mittlerweile immer die Teigtemperatur und die Raumtemperatur an, so dass du dich danach orientieren kannst. Weicht bei dir ein Wert stark ab, musst du die Reifezeiten im Kopf umrechnen. Mit der Zeit bekommst du ein Gefühl dafür.
Was bedeutet warm oder kalt bei Schüttwasser für Brot?
Warmes Wasser ist für mich alles was wärmer ist als die anderen Zutaten. Wenn die also 22 Grad haben, erwärmt Wasser über dieser Temperatur diese Zutaten bei Kontakt im Teig. Je wärmer das Wasser, desto stärker werden auch die anderen Zutaten dann im Teig erwärmt. Andersherum ist kaltes Wasser kälter als die restlichen Zutaten. So ganz exakt ist das nicht und auch nicht unbedingt nötig zu wissen. Weil auch manchmal Zutaten aus dem Kühlschrank kommen und dann andere Temperaturen aufweisen wie die anderen Zutaten.
Wie genau berechne ich die Wassertemperatur für den Teig?
Es ist wichtiger zu wissen, wie du die Wassertemperatur berechnest, damit du eine bestimmte Teigtemperatur erreichst. Das ist das eigentliche Ziel dabei. Ganz grob sollten die folgenden Brotteige diese Temperaturen haben:
- Weizen-Brotteig: 24-26 Grad
- Dinkel-Brotteig: 20-24 Grad
- Roggen-Brotteig: 28-32 Grad
- Misch-Brotteige jeweils dazwischen
Ich langweile dich hier nicht mit Mathe und daher findest du hier auch keine Formel für die Berechnung der Schüttwassertemperatur. Ich selbst verwende dieses kleine, geniale Tool dafür. Du gibst hier die Zieltemperatur ein, die Wassermenge die zugegeben werden soll und die Temperatur und Gramm-Angabe der restlichen Zutaten.
Dazu kommt dann noch die Kneterwärmung, die du nur schätzen kannst anhand von Erfahrungswerten mit deiner Knetmaschine. Durch Reibungswärme wärmen sich Teige auf, bei manchen Knetmaschinen mehr, bei manchen weniger bis gar nicht. Mit der Hand erwärmt sich der Teig beim Kneten nicht. Wenn du noch gar keine Ahnung hast, nimmst du:
- Spiralkneter: 1 Grad zu erwartende Kneterwärmung
- Knetmaschine und Küchenmaschine mit Planetengetriebe: 3 Grad zu erwartende Kneterwärmung
Tipp: Wenn du mal einen Autolyseteig ansetzt, weißt du die Ausgangstemperatur deines Teigs vor dem eigentlichen Kneten. Einmal nach dem Ansetzen des Autolyseteigs messen und einmal nach dem Kneten des Hauptteigs und du kennst die Kneterwärmung für einen bestimmten Teig nach einer bestimmten Zeit für die Zukunft.
Bei welchen Brotsorten sollte man sich vor allem um die Wassertemperatur kümmern?
Es gibt vor allem 2 Brotsorten, bei denen es sehr wichtig ist sich um die Teigtemperatur und somit am Ende auch um die Wassertemperatur zu kümmern:
- Roggenbrote
Hier wird viel Sauerteig eingesetzt und Roggen selbst sorgt für einen sauer-herben Geschmack. Daher hält man die Teigtemperatur hoch bei 28-32 Grad, damit der Teig schnell reift. Wenn er schnell reift, entsteht nicht so viel Säure. Daher wird hier mit warmem Wasser gearbeitet. Wassertemperaturen bis 70 Grad und darüber hinaus sind denkbar, je nachdem wie viel Wasser es ist und ob Zutaten eingesetzt werden, die aus dem Kühlschrank kommen. Durch die Mischung pendelt sich dann die Teigtemperatur am Zielpunkt ein. Je größer der Anteil Roggen in einem Roggen-Mischbrot, desto wärmer sollte der Teig gehalten werden. - Dinkelbrote
Dinkel ist empfindlich und hat keinen besonders starken Kleber. Weil der Teig schnell an Stabilität abbaut, wird der Teig kühler gehalten, damit sich das Zeitfenster für das Erwischen des perfekten Reifezustands erweitert. Je höher der Dinkel-Anteil in einem Mischbrot ist, desto kühler sollte der Teig gehalten werden (Ausnahme: Roggen-Dinkel-Mischbrote: Hier kommt es weniger auf stabiles Teiggerüst an, weil meist eine dichte Krume geplant ist und auch oft im Kasten gebacken wird; der Teig darf also auch eher in Richtung Roggenwärme verschoben werden).
Bei anderen Brotsorten ist die Empfindlichkeit bezüglich Abweichungen der gewünschten Teigtemperaturen nicht so groß. Mischbrot-Temperaturen allgemein trifft man recht einfach, auch ohne Wassertemperatur-Berechnung, wenn die Außentemperaturen nicht gerade total abweichen vom Mittel. Trotzdem ist es auch hier so, dass nicht unnötig hoch oder kalt temperiert werden sollte. Ein Weizenmischteig sollte nicht bei 30 Grad geführt werden, weil das Brot dann einfach langweilig schmeckt. Ein Roggenmischteig sollte nicht 22 Grad aufweisen, weil die Reifezeit so lange wäre, so dass das Brot sehr sauer würde.
Wie warm sollte Wasser maximal sein? Können Hefe und Sauerteig kaputt gehen, wenn das Wasser zu warm ist?
Eigentlich gibt es keine Grenze, sogar kochendes Wasser ist denkbar, wenn es schnell mit den anderen Zutaten vermischt wird und sich die Teigtemperatur dann gleich einpendelt. Käme also alles aus dem Kühlschrank, nur das Wasser nicht, könnte dieses und muss dieses manchmal sehr warm gehalten werden. Natürlich sollten Hefe und Sauerteig nicht allein und zu lange mit heißem Wasser in Kontakt kommen ohne das Ganze dann mit den kühleren Zutaten zu vermischen, weil ab 50/55 Grad Hefen und Bakterien beginnen abzusterben.
Braucht Hefe warmes Wasser um anzuspringen?
Kurze Antwort: nein. Du kannst Hefen mit warmem Wasser (und auch mit Zucker) schneller aktivieren. Nötig ist das aber nicht und sollte auch nicht gemacht werden, damit die Reifezeiten nicht unnötig verkürzt werden (weil dadurch das Aroma leiden würde).
Die Wassertemperatur für den Sauerteig
Über die Wassertemperatur wird auch die Temperatur des Sauerteigs gesteuert. Gerade Roggensauerteige sollten immer bei 28-30 Grad geführt werden, damit sie schnell reifen und nicht zu sauer werden. Warmes Wasser würde ich ansonsten aber nie für andere Sauerteig-Sorten verwenden. Ich halte es pragmatisch und nehme immer das Wasser aus dem Hahn. Das mache ich bei der mehrwöchigen Fütterung des Sauerteig-Anstellguts sogar bei meinem Roggensauer (aus reiner Faulheit). Die eigentliche Aromen- und Säurensteuerung über die Schüttwasser-Temperatur mache ich dann erst, wenn ich den eigentlichen Teig für das Brot ansetze.