Wenn du selber Brot zu Hause bäckst und gerne mit Sauerteig backen möchtest, stellt sich dir zwangsläufig irgendwann die Frage, auf welcher Mehl-Basis dein Sauerteig aufgesetzt werden sollte. Roggen, Weizen oder gar Dinkel? Ich gebe dir hier eine Entscheidungshilfe.
Ich persönlich führe zu Hause 2 Sauerteige:
Einen auf Basis von Roggenmehl und einen auf Basis von Weizenmehl. Ich bin ein kleiner Sonderfall, weil ich Brot-Blogger bin und jede Menge verschiedenartiger Brote backe. Vom Roggen-Vollkornbrot, über ein Dinkel-Mischbrot, bis hin zum Weizen-Ciabatta. Und weil ich hier sortenrein arbeiten möchte, mache ich mir die Arbeit und führe 2 verschiedene Sauerteige. Auf einen extra Sauerteig aus Dinkelmehl habe ich verzichtet, weil Dinkel und Weizen aus der gleichen Familie kommen und doch sehr ähnlich sind. Zwischen Roggen und Weizen (oder Dinkel) besteht allerdings ein eklatanter Unterschied in Geschmack und Konsistenz des Brots, so dass ich gerne 2 verschiedene Varianten führe.
Gleich vorweg: Du musst das nicht so handhaben wie ich. Selbst wenn du auch viele verschiedene Brote backen willst, kannst du auch mit einer Sorte Sauerteig leben und trotzdem tolle Brote backen. Wie, das liest du nachfolgend.
Zuerst möchte ich dir erklären, wieso du welchen Sauerteig normalerweise nutzen solltest:
Podcast zu diesem Ratgeber-Artikel
Du möchtest lieber hören statt zu lesen? Ich habe viele Fragen zur Wahl des richtigen Sauerteigs in einem Podcast (17 Minuten) beantwortet. Hier reinhören:
Wofür brauche ich einen Roggensauerteig?
Roggenmehl ist geradezu prädestiniert für Sauerteig. Das liegt daran, dass Roggen durch seinen hohen Anteil an Pentosanen (eine Art Schleimstoffe) eine besonders gute Umgebung für Milchsäurebakterien und Hefen bietet. Ein Roggensauerteig entwickelt sich meist schnell und ist relativ stabil – das heißt, er kippt nicht so leicht ins Ungleichgewicht. Schon nach wenigen Tagen kann er genug Triebkraft haben, um als alleiniges Triebmittel zu dienen.
Roggensauerteig macht Roggenmehl überhaupt erst backfähig, indem er den Abbau von Stärke durch Enzyme reguliert. Das verhindert, dass das Brot flach und unattraktiv wird. Roggen hat in vielen Regionen eine lange Tradition als Brotgetreide und ist daher eng mit der Herstellung von Sauerteig verbunden.
Roggensauerteig ist sehr flexibel: Du kannst mit ihm jedes Brot ansetzen, das du willst. Auch Weizenbrote oder Dinkelbrote kannst du damit ansetzen und ohne Vergleich wirst du vermutlich auch keinen Unterschied feststellen in Geschmack und Form (zB in der Krume). Aus einem Roggensauer kannst du auch einen Weizensauer züchten (so habe ich das damals gemacht) und auch spontane Sauerteige für ein Brotrezept kannst du problemlos mit dem Anstellgut deines Roggensauers ansetzen, selbst wenn alle Mehle im Rezept nur aus Weizen oder Dinkel bestehen sollten.
Bei Roggenbroten oder Roggenmischbroten spielt der Roggensauer natürlich seine besondere Stärke aus, weil Roggensauerteig Broten ein kräftiges, würziges Aroma verleiht, das charakteristisch für traditionelle deutsche Brote ist.
Wofür brauche ich einen Weizensauerteig?
Auch der Weizensauer ist ein toller Sauerteig, bringt in der Regel etwas weniger Säure ins Brot, was ihn für hellere (Mischbrote) interessant macht. Wenngleich du auch einen Weizensauer so erziehen kannst, dass er sehr sauer wird (zB für das San Francisco Sourdough Bread). Weizensauerteige sind etwas anspruchsvoller, aber nur zu Beginn des Ansatzes. Ist er mal etabliert, ist er kaum kaputt zu kriegen.
Da Weizen mehr Klebereiweiß (Gluten) enthält als Roggen, sorgt ein Weizensauerteig für luftige und lockere Brote. Besonders in langen Teigführungen kann er ein außergewöhnlich feines Aroma entfalten – von mild-milchig bis hin zu leicht fruchtig oder nussig. Typische Einsatzgebiete sind französische Landbrote, rustikale Weizenbrote, sehr luftige und helle Brote oder auch feine Brötchen. Mit einem festen Sauerteig (Lievito Madre) kannst du sogar süße Gebäcksorten fermentieren.
Ein Lievito Madre:
Der Weizensauerteig ist ein Allrounder, auch wenn er per se für Brote mit viel Roggenmehl eher ungeeignet ist. „Ungeeignet“ wenn man auf die feinen Schattierungen an Geschmack denkt, funktionieren wird ein Roggenbrot auch mit einem Weizensauerteig-Anstellgut. D.h. du könntest theoretisch mit einem Weizen-Anstellgut und Roggenmehl spontan einen Roggensauer ansetzen (Stichwort: Sauerteige ersetzen) und dann für ein „reines“ Roggenbrot verwenden. Auch das klappt und wird schmecken. Wenn du einen feinen Gaumen hast und schon lange Roggenbrote backen würdest, würdest du aber vermutlich einen Unterschied schmecken.
Beispiel für ein Sauerteigbrot mit Weizensauer:
Wofür brauche ich einen Dinkelsauerteig?
Für den Dinkelsauerteig sprechen die gleichen Gründe wie für einen Weizensauerteig. Für helle Brote und helle Mischbrote ist er gut geeignet, ich würde ihn aber wirklich nur dann führen, wenn ich ständig und vorwiegend Dinkelbrote backen würde. Ansonsten macht es wenig Sinn Dinkel einzusetzen, weil es anspruchsvoller ist (Dinkelteige haben weniger Kleber und sind instabiler; auch der Sauerteig „krankt“ daran).
Kann ich einen Sauerteig auch mit Roggenmehl und Weizenmehl (oder Dinkelmehl) mischen?
Ja, das geht super und nennt sich „Balkansauerteig„. Es ist erstaunlich, welch tolle Aromen durch diese Mixtur entstehen können und immer wieder schwanke ich in meiner Haltung und überlege, ob ich nicht vielleicht doch nur einen einzigen Sauerteig führen sollte. Nur aus Bequemlichkeit. In dem Fall wäre es ganz sicher ein Balkansauerteig.
Brot aus Balkansauerteig:
Wieso verwenden viele eher einen Roggensauerteig?
Tatsächlich hat der Roggensauerteig bei uns in Deutschland eine große Tradition. Wie schon oben angemerkt, weil Roggenmehl zwingend Säure braucht und in den kalten Gefilden der Roggen besonders gut gedeiht und auch früher gediehen ist. Da lag es natürlich nahe Roggen auch für den Sauerteig zu verwenden. Weil der Roggensauer zudem leichter anzusetzen ist und weniger schnell kippt zum Beginn (später gibt es keinen Unterschied mehr in der Robustheit), ist er auch bei Einsteigern sehr beliebt. Du wirst nichts falsch machen, wenn du erst mal nur auf den Roggensauer setzt.
Außerdem: Weizen-Brot kannst du auch ohne Sauerteig nur mit Hefe backen! Tatsächlich ist das ein Grund, wieso der Weizensauer eher optional statt obligatorisch ist.
Sollte ich mehrere Sauerteige führen?
Wie geschrieben kannst du das machen, wenn du die letzten paar Prozent aus Aromen herauskitzeln willst und wenn du, wie ich, sortenrein arbeiten willst. Du musst dann damit leben, dass du beim Füttern eine weitere Mehlsorte vorhalten musst. Und du brauchst mehr Platz im Kühlschrank für das Sauerteig-Anstellgut und die Reserve. Dann spricht gar nichts dagegen auch mehrere (vielleicht sogar 3) zu führen und zu nutzen. Wenn du gerade erst anfängst zu backen, würde ich vermutlich eher auf einen 2. Sauerteig verzichten.
Welcher Sauerteig passt nun besser zu dir? Entscheidungshilfe:
Stelle dir die folgenden Fragen:
- Wie oft backe ich unterschiedliche Brote?
- Welche Art Brote mag ich? Roggenbrote? Weizenbrote? Luftige Brote? Alle Brote?
- Wie viel Aufwand will ich betreiben und macht es mir viel Spaß?
- Wie viel Platz habe ich im Kühlschrank?
- Will ich die letzten paar Prozentpunkte herausholen aus Aroma und Sortenreinheit?
Mein Vorschlag wäre folgendes:
- Wenn du viele verschiedene Brote backen, aber nur einen Sauerteig führen willst:
Nutze einen Roggensauer - Wenn du vor allem helle, luftige und weizenlastige Brote backen, aber nur einen Sauerteig führen willst:
Nutze einen Weizensauer (oder Dinkelsauer)
Ansonsten führe beide Sauerteige, wenn du Spaß an besagten Gründen hast.
Hallo Rene,
vielen Dank für diesen Sauerteig-Ratgeber!!
Ich habe lange Zeit zwei Sauerteige geführt, einen aus Roggen und einen LM, beide selbst gezogen.
Auch ich habe mir anfangs oft die Frage gestellt, wobei ich mir dann dachte, einen Sauerteig aus Weizenmehl kann man eher für alle Brote einsetzen, als Roggen, wegen des Geschmacks. Da ich nur noch selten zum Brot backen komme, habe ich meinen Roggensauerteig entsorgt (ja, das hat weh getan, sind ja irgendwie wie Babys)😩) Durch Deinen Ratgeber habe ich aber nun doch wieder was dazu gelernt!! 👍😊
Eine Frage habe ich da aber trotzdem noch: Kann ich den LM auch so wie er ist nutzen um Roggen- und andere Brote zu backen? Oder muss ich ihn noch etwas anders vorbereiten, um Brote damit zu backen, da er ja fester ist? LM habe ich bisher nur für Pizza und süße Gebäcke eingesetzt.
Liebe Grüße, Karin
Der LM ist sehr mild und hat eine sehr feste Konsistenz. Mit Umzüchtung und ein paar Mal füttern wird auch das funktionieren. Ob es dann aromatisch richtig harmonisch ist, kann ich dir nicht sagen. Das habe ich mit einem LM nicht probiert.
Hallo, danke für die Informationen. Gut zusammengefasst. Hier noch ein Tip: Ich habe mir eine Sauerteig getrocknet und gemahlen als Reserve. Ost hier in Thailand nötig, bei +45°C im Sommer ist der Sauerteig schon mehrfach umgekippt. Gruß Reiner
Da empfehle ich mit sehr kaltem Wasser zu arbeiten und entsprechend die Zeit zu reduzieren. Oder aber auch Kühlakkus in einer Box zu verwenden. Als Reserve ist die Trocknung aber eine gute Idee.
Tip: Bei alle Gläser welche ich für den Sauerteig benutze habe ich das jeweilige Gewicht des leeren Glases eingraviert (Dremel Tool mit Gravierstift)
So immer die Möglichkeit den Inhalt fest zu stellen.
Guter Tipp. Danke.
Hi René. hochinteressante Beitrag über denn Sauerteig. Ich selber bevorzuge für mein Dinkelbrot den Roggensauerteig, passt hervorragend in Geschmack und Kruste. Backe alle 14 Taage ca. 24 Brote für die Famiele, macht riesig Spaß als ehemaliger Bäcker.
Roggensauer funktioniert super für Dinkelbrote. Gute Wahl. 🙂