Wie lange sollte ein Sauerteig eigentlich reifen? Dieses Basic an Verständnis ist besonders wichtig, wenn du selbst irgendwann mal in der Lage sein möchtest, eigene Rezepte für Brote zu kreieren. Und auch, um zu verstehen wieso in manchen Rezepten Sauerteige lang reifen oder kurz.
Reifezeit von Sauerteig bei Roggenbroten
Roggenbrote profitieren ganz besonders von der richtigen Reifedauer, weil Roggenbrote eine gewisse Säure benötigen, damit sie überhaupt schmecken. Es macht geschmacklich einen riesigen Unterschied, ob du einen zu milden Sauerteig für dein Roggenbrot verwendest oder aber einen gut ausbalancierten Sauerteig, der entsprechende Säure-Noten hat.
Für Roggenbrote werden verschiedene Ansätze für Sauerteige verwendet:
- 1-stufige Sauerteige
- 2-stufige Sauerteige
- 3-stufige Sauerteige
- usw.
Reifedauer 1-stufiger Roggensauer
Wenn du abends am Vortag einen Sauerteig und morgens den Hauptteig ansetzen möchtest, arbeitest du mit einem 1-stufigen Sauerteig. Der reift in der Regel zwischen 12 und 18 Stunden und wird mit recht wenig Anstellgutmenge im Verhältnis zum Mehl im Sauerteig angesetzt. Vorteil der 1-stufen-Führung: Es ist einfach und schnell umzusetzen. Beispiel mit 40% der Mehlmenge (500g) versäuert im Sauerteig:
Vollsauer (einzige Stufe; Vortag)
- 10g Anstellgut Roggensauer
- 200g Roggenmehl
- 200g Wasser (warm, damit der Sauerteig 28-32 Grad hat; alles über die Wassertemperatur)
- Reifezeit 14-18 Stunden
- (zB abends ansetzen um 18 Uhr und verarbeiten am nächsten Tag Mittags um 12 Uhr)
Reifedauer 2-stufiger Roggensauer
Beim 2-stufigen Roggensauer wird zuerst ein „Grundsauer“ angesetzt, der dann weitergeführt wird in einer weiteren Sauerteigstufe am nächsten Tag zum „Vollsauer“. Der Grundsauer wird mit wenig Anstellgut angesetzt und reift langsam über Nacht (und produziert dabei jede Menge Säurespiele), der Vollsauer reift dann am nächsten Tag mit dem Grundsauer als Quasi-Anstellgut in kurzer Zeit. Dadurch gleicht sich die Säure gleichmäßig an und die Hefen werden gepusht. Vorteil: Ein triebstärkerer Sauerteig, der harmonischer ausbalanciert ist. Beispiel mit 40% der Mehlmenge (500g) versäuert im Sauerteig:
Grundsauer (1. Stufe; Vortag)
- 3,5g Anstellgut (ja, die kleine Menge stimmt)
- 70g Roggenmehl
- 70g Wasser (kalt)
- Reifezeit 18-24 Stunden
- (zb am Vortag morgens angesetzt um 9 Uhr und weiterverarbeitet im Vollsauer am nächsten Tag um 9 Uhr)
Vollsauer (2. Stufe; Backtag)
- Grundsauer (1. Stufe)
- 130g Roggenmehl
- 130g Wasser (warm, damit der Sauerteig 28-32 Grad hat; alles über die Wassertemperatur)
- warm reifen lassen für 3-4 Stunden
- (zb am Backtag angesetzt um 9 Uhr und verarbeitet im Hauptteig um 12 Uhr)
Reifedauer 3-stufiger Roggensauer
Beim 3-stufigen Roggensauer wird die Sauerteigführung noch präziser gestaltet. Du startest mit einem Anfrischsauer, der die Hefen aktiviert, gefolgt von einem Grundsauer, der die Säure und Aromen entwickelt, und schließlich einem Vollsauer, der die Triebkraft steigert. Diese Methode bietet mehr Kontrolle über die Säureentwicklung und die Hefeaktivität, was zu einem perfekt ausbalancierten Brot mit intensivem Geschmack, optimaler Lockerung und hervorragender Frischhaltung führt. Der 3-stufige Prozess erfordert zwar mehr Zeit und Aufmerksamkeit, belohnt dich aber mit einem Roggenbrot von außergewöhnlicher Qualität. Beispiel mit ca. 50% der Mehlmenge (600g) versäuert im Sauerteig:
Anfrischsauer (1. Stufe; Vortag)
- 10g Anstellgut
- 10g Roggenmehl
- 10g Wasser (kalt)
- Reifezeit 3 Stunden
- (zb Vortag morgens angesetzt um 9 Uhr und weiterverarbeitet im Grundsauer am nächsten Tag um 12 Uhr)
Grundsauer (2. Stufe; Vortag)
- Anfrischsauer (1. Stufe)
- 100g Roggenmehl
- 100g Wasser (warm, damit der Sauerteig 28-32 Grad hat; alles über die Wassertemperatur)
- Reifezeit 6-8 Stunden
- (zb Mittags angesetzt um 12 Uhr und dann um 18 Uhr in den Kühlschrank gestellt für den nächsten Tag)
Vollsauer (3. Stufe; Backtag)
- Grundsauer (2. Stufe)
- 200g Roggenmehl
- 200g Wasser (warm, damit der Sauerteig 28-32 Grad hat; alles über die Wassertemperatur)
- warm reifen lassen für 3-4 Stunden
- (zb am Backtag angesetzt um 9 Uhr und verarbeitet im Hauptteig um 12-13 Uhr)
Beispiel für ein Roggenmischbrot mit 3-stufigem Sauerteig:
Reifezeiten Sauerteig für milde Roggenbrote
Wenn du gar kein Freund von säuerlichen Broten bist, kannst du auch anders verfahren als hier in den üblichen 3 Varianten der Roggensauer-Führung vorgestellt. Du kannst auch deinen Sauerteig besonders mild und schnell reifen lassen. Du nimmst dazu viel Anstellgut aus dem Kühlschrank und setzt es mit einem hohen Verhältnis zum Mehl zum Sauerteig an. Beispiel mit 40% der Mehlmenge (500g) versäuert im Sauerteig:
Vollsauer (einzige Stufe; Backtag)
- 50g Anstellgut
- 200g Mehl
- 200g Wasser
- (warm, damit der Sauerteig 28-32 Grad hat; alles über die Wassertemperatur)
- warm reifen lassen für 3-4 Stunden
- (zb am Backtag angesetzt um 9 Uhr und verarbeitet im Hauptteig um 12-13 Uhr)
Reifezeiten Sauerteig für besonders saure Roggenbrote
Und wenn du Fan von besonders sauren Broten bist, ist die 1-Stufen-Sauerteigführung dein Freund. Beispiel nochmal mit 40% Versäuerung bei 500g Mehl, besonders lange gereift:
Vollsauer (einzige Stufe; Vortag)
- 5g Anstellgut Roggensauer
- 200g Roggenmehl
- 200g Wasser (kalt)
- Reifezeit 36-48 Stunden
- (zB am 1. Tag ansetzen um 18 Uhr und verarbeiten am 3. Tag Mittags um 9 Uhr)
Wichtig: Reifezustand beobachten:
Die hier genannten Zeiten sind theoretisch und immer abhängig von Raumtemperatur, finaler Teigtemperatur und auch vom Mehl und der Qualität des Anstellguts. Bitte immer den Sauerteig beobachten und auch riechen und dann rechtzeitig verwenden oder kalt stellen (bei späterer Verwendung)
Reifezeit von Sauerteig bei Weizenbroten
Bei Weizenbroten gibt es in der Regel keine mehrstufigen Führungen, wenn gleich du das natürlich trotzdem machen könntest (oder den Sauerteig am Vortag vor dem Ansetzen des eigentlich Sauerteigs nochmal füttern, damit er besonders triebstark wird). Der Unterschied ist, dass in der Regel bei Weizenbroten weniger Mehl versäuert wird (10-30% der Mehlmenge gesamt). Meist wird der Sauerteig 1-stufig geführt, ähnlich dem 1-stufigen Roggensauer. Oder aber warm und schnell wie oben beispielhaft für milde Roggenbrote aufgezeigt. Weizenbrote die zu sauer sind, sind nicht wirklich lecker. Daher werden Weizensauerteige meist etwas milder geführt (Ausnahme: Für das San Francisco Sourdough Bread). 2 Varianten der Weizensauerteig-Führung:
Normale Weizensauerteig-Führung
Üblicherweise setzt du den Sauerteig am Vortag an und lässt ihn dann bis zum Morgen reifen und verarbeitest ihn dann im Hauptteig. Beispiel mir 20% Versäuerung (was schon spürbar säuerlich ist für Weizenbrote bei langer Reifezeit des Sauerteigs) bei 500g Mehlmenge:
Vollsauer (einzige Stufe; Vortag)
- 7-8g Anstellgut Weizensauer
- 100g Weizenmehl
- 100g Wasser (kalt)
- Reifezeit 12-16 Stunden
- (zB am Vortag ansetzen um 20 Uhr und verarbeiten am Backtag um 10 Uhr)
- (für etwas längere Reifezeit die Anstellgutmenge nochmal reduzieren; für etwas schnellere Reife (also zB 8-10h) die Anstellgutmenge auf 10% der Mehlmenge festsetzen)
Beispiel hierfür: Das Basler-Brot mit Sauerteig
Schnelle Weizensauerteig-Führung
Alternativ kannst du am Backtag morgens deinen Sauerteig ansetzen. Das macht meistens dann Sinn, wenn du den Hauptteig dann über Nacht reifen lässt (siehe nächster Punkt), funktioniert aber auch am Backtag, wie hier zu sehen. Du nimmst relativ viel Anstellgut im Mehlverhältnis und stellst den Sauerteig warm zur Reife. Dadurch reift er schnell und mild und wird besonders triebstark. Die Säuren bleiben mild und im Rahmen. Beispiel mir 15% Versäuerung bei 500g Mehlmenge:
Vollsauer (einzige Stufe; Backtag)
- 25g Anstellgut Weizensauer
- 75g Weizenmehl
- 75g Wasser (kalt)
- Reifezeit 3-4 Stunden bei 28-30 Grad
- (zB am Backtag ansetzen um 8 Uhr und verarbeiten 12 Uhr)
- (für etwas längere Reifezeit die Anstellgutmenge nochmal reduzieren; für etwas schnellere Reife (also zB 2-3h) die Anstellgutmenge weiter erhöhen)
Reifezeit von Sauerteig bei Broten mit Übernachtgare
Wenn du deinen Brotteig über Nacht reifen lassen willst, nimmst du nicht so viel Sauerteiganteil und setzt in der Regel einen milden, schnell gereiften Sauerteig an. Warum? Weil wenn dein Sauerteig schon von Grund auf sehr sauer wäre (weil er zB über Nacht sehr lange gereift wäre) und dann der Hauptteig zusätzlich lange (zB im Kühlschrank) reift, würde das Brot am Ende zu sauer werden. Durch zu viel Reifezeit entstehen viel zu viele Säuren. Hier daher ein Beispiel mit 10% Versäuerung auf die 500g Mehl bei Übernachtgare im Kühlschrank:
Vollsauer (einzige Stufe; Vortag)
- 20g Anstellgut Weizensauer
- 50g Weizenmehl
- 50g Wasser (kalt)
- Reifezeit 3-4 Stunden bei 28-30 Grad
- (zB am Vortag ansetzen um 8 Uhr und am Vortag im Hauptteig verarbeiten um 12 Uhr)
- (für etwas längere Reifezeit die Anstellgutmenge nochmal reduzieren; für etwas schnellere Reife (also zB 2-3h) die Anstellgutmenge weiter erhöhen)
- Hauptteigreife dann im Kühlschrank für 12-24 Stunden
Der Hauptteig ist dann recht mild angesetzt, über die lange Teigreife im Kühlschrank entwickeln sich aber wieder Säuren. Durch die kurze Sauerteigreife und die lange Hauptteigreife gleichen sich die Säuerspiele an und das Brot wird ein angenehmes Säureprofil haben.
Beispiel für ein Brot mit kurzer Sauerteigreife und langer kalter Gare im Kühlschrank:
Reifezeit von Sauerteig bei Mischbroten
Für Mischbrote werden die Sauerteige so angesetzt, wie für Roggenbrote und Weizenbrote. Ich würde bei Broten mit hohem Roggenanteil die oben genannten 3 Varianten der Roggensauer-Führung und entsprechende Reifezeiten anwenden und bei weizenlastigen Broten eher die Führungen der typischen Weizensauerteige. Je nachdem muss dann der Anteil der Versäuerung angepasst werden. Mehr dazu liest du hier.
Reifezeiten Sauerteig für Roggenmischbrote (mit Weizen)
Hier ein Beispiel für ein Roggenmischbrot mit 60% Roggenmehl bei 500g Mehl insgesamt mit 30% Versäuerung)
Vollsauer (einzige Stufe; Vortag)
- 7,5g Anstellgut Roggensauer
- 150g Roggenmehl
- 150g Wasser (warm, damit der Sauerteig 28-32 Grad hat; alles über die Wassertemperatur)
- Reifezeit 14-18 Stunden
- (zB abends ansetzen um 18 Uhr und verarbeiten am nächsten Tag Mittags um 12 Uhr)
Reifezeiten Sauerteig für Weizenmischbrote (mit Roggen)
Hier ein Beispiel für ein Weizenmischbrot mit 80% Weizenmehl bei 500g Mehl insgesamt mit 25% Versäuerung)
Vollsauer (einzige Stufe; Vortag)
- 10g Anstellgut Weizensauer
- 125g Weizenmehl
- 125g Wasser (kalt)
- Reifezeit 14-18 Stunden
- (zB am Vortag ansetzen um 18 Uhr und verarbeiten am Backtag um 10 Uhr)
- (für etwas längere Reifezeit die Anstellgutmenge nochmal reduzieren; für etwas schnellere Reife (also zB 8-10h) die Anstellgutmenge auf 10% der Mehlmenge festsetzen
Reifezeit von Sauerteig bei Vollkornbroten
Gleiches gilt bei den Vollkornbroten. Auch hier würde ich die obenstehenden Führungsmethoden anwenden. Allerdings reifen Vollkornteige in der Regel schneller, so dass sich die Reifezeiten verkürzen. Ich würde pauschal von 20% kürzerer Reifezeit ausgehen. Das hängt aber auch immer stark vom Mehl ab und der Qualität des Sauerteigs und der Temperaturen.
Fazit
Du siehst, es gibt verschiedenste Varianten (und noch viel mehr als hier angegeben), wie du einen Sauerteig führen kannst und wie lange dann die Reifezeiten des Sauerteigs sind, die sich daraus ergeben. Nimmst du wenig Anstellgut, reift der Sauerteig länger. Ist die Temperatur höher, reift er schneller. Willst du mehr Säure, lässt du ihn über weniger Anstellgut und kühlere Temperaturen länger stehen. Willst du ein mildes Vollkornbrot backen, nimmst du viel Anstellgut und lässt den Sauerteig wieder schnell und warm reifen. Und und und. Am besten du versuchst das alles mal und backst immer wieder Brote mit unterschiedlichen Reifezeiten des Sauerteigs und beobachtest die Ergebnis-Änderung. Am besten auch immer auf Basis des ansonsten gleichen Brotes. So kannst du am besten lernen, was dir schmeckt und wie du Säuren und Triebkraft im Sauerteig steuern kannst.
Zusammengefasst: Das beeinflusst die Reifezeit deines Sauerteigs
- Zeit, die du hast
- gewünschte Säure
- gewünschte Milde
- gewünschte aromatische Ausgewogenheit
- Kornsorte
- Temperaturen
- Menge Anstellgut
- Qualität Sauerteig
- gewünschte Versäuerung