Sauerteig ist das Herzstück vieler Brote und bringt nicht nur Geschmack, sondern auch Struktur und Haltbarkeit ins Spiel. Wenn Du schon mal mit Sauerteig gebacken hast, weißt Du, wie faszinierend dieses lebendige Gemisch aus Mehl und Wasser sein kann. Aber es gibt verschiedene Arten von Sauerteig. Welcher macht Sinn und ist es sinnvoll mehrere zu führen?
Klassiker: Roggen-, Weizen- und Dinkelsauer
Roggensauerteig ist der Klassiker in der deutschen Brotlandschaft. Roggen enthält Enzyme, die Stärke und Eiweiß abbauen. Sauerteig stoppt diesen Prozess und sorgt dafür, dass der Teig stabil bleibt. Ohne Sauerteig würde Roggenteig flach und kompakt bleiben, da Roggen wenig Gluten enthält.
Weizensauerteig wird oft für besonders offenporige Brote verwendet. Er hat eine mildere Säure und wird gerne bei hellen Broten oder Baguettes eingesetzt. Auch wenn Weizenmehl von Natur aus mehr Gluten enthält und daher ohne Sauerteig backfähig ist, sorgt Weizensauer für ein tieferes Aroma und eine längere Frischhaltung.
Dinkelsauerteig ähnelt dem Weizensauer, aber Dinkelmehl ist etwas empfindlicher. Seine Eiweißstruktur macht es schwieriger, ein stabiles Brot zu backen. Wer ausschließlich Dinkel verbacken will, sollte einen Dinkelsauer ansetzen.
Spezielle Sauerteig-Arten
Lievito Madre und Pasta Madre sind italienische Sauerteige, die mit Weizenmehl geführt werden. Sie sind fester als die typischen Sauerteige, fast wie ein Teigstück, und haben eine milde bis kaum spürbare Säure. Diese Sauerteige sind perfekt für weiche, luftige Backwaren wie Ciabatta, Focaccia oder Panettone (oder andere süße Backwaren).
Der Unterschied zwischen Lievito und Pasta Madre ist oft nur die Pflege. Pasta Madre wird oft in einem Tuch eingewickelt und besonders sanft geführt. Beide Varianten sind ein bisschen anspruchsvoller in der Handhabung, lohnen sich aber, wenn Du italienische Brote oder Süßgebäck liebst.
LiCoLi (Liquid Continuous Levain) ist eine flüssigere Variante eines Sauerteigs mit hoher Hydration, der kontinuierlich gefüttert wird. Diese Art von Sauerteig hat eine sehr milde Säure und sorgt für eine gleichmäßige und starke Triebkraft. LiCoLi eignet sich besonders gut für leichte, luftige Brote wie Baguette oder Ciabatta, bei denen eine zarte Krume und eine milde Säure gefragt sind. Im Gegensatz zu den festeren italienischen Sauerteigen ist LiCoLi einfacher in der Handhabung, da er flüssiger ist und keine so komplexe Pflege erfordert.
Süßer Sauerteig wird speziell für süße Backwaren wie Brioche oder Panettone entwickelt. Dieser Sauerteig hat einen sehr niedrigen Säuregehalt und wird oft mit Zucker oder Honig gefüttert, um eine milde Säure zu gewährleisten, die sich gut in süßen Teigen einfügt. Der süße Sauerteig sorgt für eine feine Textur und ein geschmacklich ausgewogenes Ergebnis, ohne dass die Säure den Geschmack der süßen Zutaten überlagert.
Cuvée-Sauerteig (auch als Misch-Sauerteig bekannt) ist eine Kombination aus verschiedenen Mehlsorten, meist Weizen und Roggen, die zusammen ein harmonisches Aroma und eine ausgewogene Triebkraft bieten. Diese Art von Sauerteig eignet sich besonders für Mischbrote, bei denen das Aroma beider Mehlsorten zur Geltung kommt. Der Cuvée-Sauerteig ist sehr vielseitig und kann je nach den verwendeten Mehlsorten verschiedene Geschmacksrichtungen und Texturen im Brot fördern.
Diese spezialisierten Sauerteige sind etwas anspruchsvoller in der Handhabung, aber wenn Du in das Backen von italienischen oder süßen Broten eintauchen möchtest, lohnt sich der Aufwand auf jeden Fall. Sie eröffnen Dir die Möglichkeit, Brote und Gebäcke mit einer unverwechselbaren Textur, Aroma und milden Säure zu kreieren.
Sauerteig-Arten in der Übersicht
Roggensauerteig
Charakteristika: Roggensauerteig ist ein klassischer Sauerteig aus Roggenmehl, der aufgrund der niedrigen Glutenstruktur des Roggens für die Stabilität und Struktur von Roggenbrote sorgt.
Vorteile: Er verleiht Roggenbrote ein kräftiges Aroma und sorgt für eine längere Haltbarkeit. Kann auch für helle Brote verwendet werden. Ein Allrounder-Sauerteig, der leicht zu führen ist. Unkompliziert, leichter anzuzüchten.
Nachteile: Roggensauer ist oft herber und saurer, sodass er gut geführt werden sollte, wenn damit auch helle, milde Brote angesetzt werden sollen. Für Panettone und Süßgebäcke etc. nicht 100% geeignet.
Verwendungszweck: Ideal für Roggenbrote und Mischbrote, bei denen ein intensives Aroma gewünscht ist. Auch helle Brote problemlos möglich.
Weizensauerteig
Charakteristika: Weizensauerteig hat eine mildere Säure und ist vielseitig einsetzbar wie der Roggensauer. Er wird für helle Brote verwendet und bringt eine feinere, dezente Säure ins Brot (hängt aber auch stark von der Führung ab: Welches Mehl, Hydration, Temperatur, etc.).
Vorteile: Vielseitig einsetzbar, besonders geeignet für weiche und luftige Brote wie Baguette oder Weißbrot. Auch dunklere Brote können damit angesetzt werden.
Nachteile: Weniger stabil bei langen Gehzeiten und empfindlicher bei Temperaturschwankungen. Schwieriger anzuzüchten (wenngleich auch nicht sehr schwierig).
Verwendungszweck: Perfekt für helle Brote, Mischbrote, Baguettes, Brötchen und andere Backwaren mit feiner Krume.
Dinkelsauerteig
Charakteristika: Dinkelsauerteig wird aus Dinkelmehl gewonnen und ist bekannt für sein nussiges Aroma. Dinkel ist von Natur aus weniger elastisch, weshalb der Sauerteig zur Stabilisierung beiträgt. Gleiche Charakteristika wie Weizensauer.
Vorteile: Verleiht Dinkelbroten ein angenehmes, nussiges Aroma und sorgt für eine gute Frischhaltung.
Nachteile: Dinkel reagiert empfindlicher auf Säure, sodass die Pflege etwas anspruchsvoller ist.
Verwendungszweck: Ideal für Dinkelbrote oder Dinkelmischbrote, die ein nussiges Aroma und gute Frischhaltung benötigen. Wird vor allem dann verwendet, wenn vor allem oder ausschließlich Dinkelbrote gebacken werden sollen. Ansonsten ist der Weizensauer die unkompliziertere Alternative.
Lievito Madre (ähnlich: Lugano Madre)
Charakteristika: Lievito Madre ist ein fester, milder italienischer Sauerteig mit hoher Triebkraft. Er wird oft für milde Brote, süßere und feine Teige verwendet und mit sehr hellem Mehl gefüttert.
Vorteile: Bietet eine milde Säure und ist sehr stabil, ideal für milde Brote ohne Säure, süße oder feine Brote wie Panettone.
Nachteile: Erfordert regelmäßige Pflege und muss oft mit hochwertigen Mehlen gefüttert werden. Ansetzen oder Füttern relativ aufwendig im Vergleich zu flüssigem Sauerteig. Nicht ideal um damit einen Roggensauer für ein Roggenbrot anzusetzen (wenngleich auch das geht).
Verwendungszweck: Perfekt für süße und feine Teige wie Panettone, Brioche, Ciabatta oder Focaccia.
Beispiel für ein Brot mit Lievito Madre
Pasta Madre
Charakteristika: Pasta Madre ist eine sehr feste und stabile italienische Sauerteigkultur, die ebenfalls für süße und feinporige Teige verwendet wird. Sie wird traditionell in einem Tuch geführt und mit sehr hellem Mehl gefüttert.
Vorteile: Sehr milde Säure und hohe Stabilität bei langen Gehzeiten, ideal für Gebäcke mit intensiver Süße.
Nachteile: Aufwändige Pflege, insbesondere wenn sie in einem Tuch geführt wird.
Verwendungszweck: Ideal für traditionelle italienische Süßgebäcke wie Panettone oder Pandoro. Nicht ideal um damit einen Roggensauer für ein Roggenbrot anzusetzen (wenngleich auch das geht).
LiCoLi (Liquid Continuous Levain; Lievito in Coltura Liquida)
Charakteristika: LiCoLi ist ein flüssiger Sauerteig mit hoher Hydration, der milde Säure und hohe Triebkraft bietet. Im Prinzip ist ein LiCoLi nichts anderes als ein sehr flüssiger Weizensauerteig, bei dem die Säuren in den Hintergrund treten sollen.
Vorteile: Sehr milde Säure und starke Triebkraft, ideal für leichte, luftige Brote.
Nachteile: Weniger aromatisch als festere Sauerteige.
Verwendungszweck: Besonders geeignet für Baguettes, Ciabatta und andere leichte, luftige Brote.
Beispiel für ein Sesam-Brot mit LiCoLi
Süßer Sauerteig
Charakteristika: Ein süßer Sauerteig wird mit Zucker oder Honig gefüttert, um eine sehr milde Säure zu erzeugen, und wird für süße Teige wie Brioche oder Panettone verwendet.
Vorteile: Sehr milde Säure, perfekt für süße Gebäcke und feinporige Teige.
Nachteile: Pflegeintensiv und nur für spezielle Teige geeignet. Nicht für rustikale Brote wie Roggenbrote geeignet.
Verwendungszweck: Ideal für süße Teige wie Brioche, Hefezöpfe, Panettone oder ähnliche Gebäckarten.
Misch-Sauerteig (Cuvée-Sauerteig, Balkan-Sauerteig)
Charakteristika: Ein Misch-Sauerteig kombiniert unterschiedliche Mehlsorten, z. B. Roggen und Weizen, um die Aromen und Eigenschaften der verschiedenen Mehle zu verbinden.
Vorteile: Vielseitig einsetzbar, ideal für Mischbrote, die sowohl die Stabilität von Roggen als auch die Elastizität von Weizen oder Dinkel nutzen.
Nachteile: Die Aromen und Säure sind schwerer gezielt zu steuern, was die Konsistenz und den Geschmack variieren lassen kann (muss aber nicht unbedingt ein geschmacklicher Nachteil sein).
Verwendungszweck: Perfekt für Mischbrote, bei denen die Vorteile verschiedener Mehlsorten kombiniert werden sollen.
Beispiel für ein Balkan-Sauerteigbrot:
Macht es Sinn, mehrere Sauerteige zu führen?
Die kurze Antwort: Es kommt darauf an, was Du backen möchtest.
Wenn Du regelmäßig verschiedene Brotsorten backst, kann es sinnvoll sein, mehrere Sauerteige zu führen. Ein Roggensauer ist für Roggenbrote perfekt geeignet, und ein Weizensauer oder Lievito Madre ist ideal für helle Brote oder Feingebäck. Doch keine Sorge, wenn Dir das zu viel Aufwand ist. Du kannst mit einem Allzwecksauerteig starten, den Du mit dem passenden Mehl auffrischst. Zum Beispiel kannst Du einen Weizensauer mit Roggenmehl auffrischen, um ihn kurzzeitig für Roggenbrote zu nutzen oder andersherum. D.h. du kannst problemlos mit nur einer Sauerteig-Sorte arbeiten und dann passend zum nächsten Rezept deinen Sauerteig ansetzen, selbst wenn dieser mit einem anderen Mehl gezüchtet wurde. Wichtig ist nur, dass der Sauerteig ansich fit und munter ist.
Merkt man einen geschmacklichen Unterschied, wenn man alle verschiedenen Brot-Arten mit nur einer Sauerteig-Sorte bäckt?
Ja, es gibt einen gewissen Unterschied. Aber ob du diesen erkennen würdest? Sehr fraglich. Vor allem deshalb, weil du ja nie ein und dasselbe Brot mit unterschiedlichen Sauerteigen bäckst, nur um den Unterschied herauszufinden. Was du nicht weißt, macht dich also nicht heiß…Natürlich wird es so sein, dass ein Roggenbrot sortenrein mit Roggensauer angesetzt noch einmal einen kleinen Push in Sachen Harmonisierung hat. Aber das heißt nicht, dass es den Aufwand wert ist.
Ich würde dir folgendes empfehlen: Wenn du weißt, dass du 80% Roggen- oder Roggenmischbrote bäckst, dann führe einen Roggensauer oder einen Roggen-Weizen-Mischsauer. Wenn du 80% Weizenbrote oder Dinkelbrote bäckst, dann führe einen Weizensauer und setze bei Bedarf mit diesem Sauerteig-Anstellgut auch mal einen Roggensauer an. Gerade bei einer mehrstufigen Führung wird der Sauerteig dann trotzdem sehr gut auf das finale Brot getrimmt.
Wenn du oft helle Brote oder auch süßere Gebäcke mit Sauerteig backen willst, führe eine Madre. Selbst die kann am Ende zu einem flüssigen Sauerteig (und sogar in einen Roggensauer) umgezüchtet werden.
Wenn du Spaß an der Freude hast, führe alle Sauerteige, auf die du Lust hast. Der Aufwand ist nicht so groß.
Tipps für die Pflege mehrerer Sauerteige
Weil Du nicht täglich (mehrmals) bäckst, solltest Du Deine Sauerteige in einem Schraubglas im Kühlschrank aufbewahren und alle 2-3 Tage auffrischen. Beschrifte die Gläser: Halte fest, welcher Sauerteig für welche Mehlsorte gedacht ist, um Verwechslungen zu vermeiden. Halte die Menge klein: 50–100 g Sauerteig reichen völlig aus, damit Du flexibel bleibst und nicht zu viel Mehl für die Pflege verbrauchst und nicht zu viel übriggebliebenes Anstellgut wegwerfen musst.
Hallo Rene,
ich habe schon viele Deiner Brote nachgebacken.
Als Standartbrot backe ich regelmäßig das „Kornbrot“ mit ganzen gekochten Getreidekörnern. Nehme die doppelte Menge und habe ein schönes großes, leckeres und kompaktes Sauerteigbrot.
Auch von dem Vollkorn-Saatenbrot, welches ich Probe gebacken habe, waren wir von der Saftigkeit und dem Gescmack begeistert. Dieses wird mit Sicherheit zu meinen Standartbroten gehören.
Weiter so, vielen Dank.
Gruß Reiner
Super Reiner, das freut mich sehr! 🙂