Der Begriff „aktiver“ Sauerteig oder Starter sollte dir immer wieder begegnen, wenn du Sauerteigbrot-Rezepte nachbäckst. Aber was genau bedeutet das denn eigentlich und wieso ist es wichtig, wenn du gutes Sauerteigbrot backen willst?

Dein Sauerteig und sein Innenleben
Stell dir deinen Sauerteig (oder auch Starter oder Anstellgut genannt) wie einen kleinen, lebendigen Kosmos vor. In ihm tummeln sich wilde Hefen und Milchsäurebakterien. Sie kommen aus dem Mehl, aus der Luft oder auch von deinen Händen. Diese Mikroorganismen sind besonders wichtig für dein Sauerteigbrot: Sie sorgen dafür, dass dein Teig aufgeht, aromatisch wird und lange frisch bleibt. Sie kümmern sich um die sogenannte „Fermentation“. Fermentation ist ein natürlicher Prozess, bei dem Mikroorganismen wie Hefen und Milchsäurebakterien Kohlenhydrate (Zucker im Mehl) in Gase, Säuren und Aromen umwandeln.
Wann ist ein Sauerteig „aktiv“ und wieso ist das wichtig?
Damit Dein Brot gut aufgeht und auch schmeckt, müssen Hefen und Milchsäurebakterien gesund, munter und in guter Balance sein.
Ein „aktiver“ Sauerteig bedeutet: Die Mikroorganismen sind wach, hungrig, in Hochform und vermehren sich schnell und ausreichend für dein Brot. Nur so kann dein Starter den Teig ordentlich antreiben und ihm die gewünschte Säure und Aromatik verleihen. Idealerweise sollte der Teig dabei in einem möglichst luftigen (kommt auf das Brot an) Zustand sein.
Aktiv vs. inaktiver Sauerteig – worin liegt konkret der Unterschied?
Ein „aktiver“ Sauerteig ist wie ein topfitter Sportler: voller Energie, bereit loszulegen und Höchstleistungen zu bringen. Ein „inaktiver“ Sauerteig hingegen ist eher träge, vielleicht sogar schlapp und nicht in der Lage, deinen Brotteig richtig zu lockern.
Der Grad der Aktivität hängt davon ab, wie hungrig und vital die Mikroorganismen sind. Wenn du deinen Starter regelmäßig fütterst (also mit frischem Mehl und Wasser versorgst und rechtzeitig wieder kühl zur Ruhe stellst), vermehren sich Hefen und Milchsäurebakterien, bilden Gase und Säuren. Dein Sauerteig geht auf, wird luftig und duftet angenehm mild säuerlich bis fruchtig. Das ist der Moment, in dem er „aktiv“ ist und bereit, einen Brotteig zu anzutreiben.
Warum ist das Timing so entscheidend?
Du kannst den perfektesten Teig mit dem besten Mehl und auf Basis des besten Rezepts zubereiten – wenn dein Sauerteig schlapp ist, wird dein Brot nicht perfekt werden. Wie das aussieht, siehst du zum Beispiel an diesem Bild:
Es zeigt eine unausgewogene Krume, mit feinen und sehr großen Bläschen. Der Grund dafür ist folgender gewesen: Der Sauerteig war nicht fit, sondern eher schlapp. Er hat es nicht geschafft in der maximalen Zeit der Fermentation das Maximum aus dem Teig herauszuholen. Der Teig hatte bereits abgebaut (weil die Enzymatik im Teig das Teiggerüst nach einer Weile schwächt und abbaut), bevor ausreichend Luftigkeit (CO2 und Sauerstoff) im Teig produziert werden konnten. Der Teig wurde dann geformt, weil er ansonsten überreif geworden wäre und anschließend nach der Endgare gebacken.
Wäre der Sauerteig fit und aktiv gewesen, hätte er es im maximalen Zeitfenster geschafft die nötige Luftigkeit zu produzieren. Das Brot war lecker, die Krumenstruktur aber nicht optimal. Hier ein Beispiel, wie die Krume eigentlich hätte aussehen sollen. Die Porung ist deutlich offener, weniger feine Poren sind zu sehen.
Und noch besser wäre diese Porung und Krume:
Die Aktivität des Starters ist also wie die Zündung im Motor: Ohne sie läuft nichts. Wenn du einen träge gewordenen Starter in den Hauptteig gibst, fehlt dem Teig die nötige Triebkraft. Das Brot geht nicht richtig auf oder wird gar klitschig (oft bei roggenlastigen Broten der Fall) oder zu kompakt.
Wie erkenne ich einen aktiven Sauerteig oder Starter?
Wenn er nach der Fütterung ordentlich „aufblüht“ – also sichtbar aufgeht, sich verdoppelt oder verdreifacht, Bläschen wirft und lebendig aussieht – dann ist er vermutlich aktiv. Wenn er dann noch angenehm fruchtig säuerlich riecht, ist er auf jeden Fall im richtigen Reifezustand.
Folgende Anzeichen deuten auf einen aktiven Sauerteig hin:
- Verdopplung des Volumens (ohne Zeitangabe, da abhängig von diversen Faktoren) (muss aber nicht sein, weil die Verdopplung ebenso abhängig ist von Faktoren)
- Viele kleine Bläschen an der Oberfläche und im Inneren
- Wölbung an der Oberfläche des Sauerteigs (Peak)
- Angenehmer, leicht säuerlicher Duft, eventuell ein wenig fruchtig oder joghurtartig
- Elastische, fast schaumige Konsistenz
- du fütterst mind. alle 2 Tage
Aber: Diese Anzeichen sagen recht wenig Konkretes darüber aus, wie fit dein Sauerteig wirklich ist. Sie sind nur Indikatoren dafür, dass dein Sauerteig ggfs. aktiv sein könnte. Wieso?
- Aktivität betrifft nicht nur Hefen, sondern auch Milchsäurebakterien (also auch die aromatisch ausgewogene Aktivität ist wichtig)
- Ein schlechtes Verhältnis von Hefen zu Milchsäurebakterien ist suboptimal für ein Brot
- Das Zeitfenster der besten Fermentation kannst du auch verfehlen, wenn dein Sauerteig vermeintlich fit erscheint (also zu lange brauchen bis der Teig perfekt fermentiert ist)
Es gibt nämlich verschiedene Fitness-Grade bei Sauerteigen: Der eine oder die andere behaupten, ihr Sauerteig sei top-fit, obwohl er oder sie ihn nur alle paar Tage mal füttert. Während der Sauerteig in der Bäckerei ums Eck täglich mehrmals gefüttert wird und damit mal so RICHTIG „aktiv“ und „fit“ ist. Es geht also immer noch ein Level mehr, wenn man das denn als Anspruch hat.
Was hier für uns in der Regel ausreichend sein sollte, ist ein moderater Fitness-Grad, der es uns erlaubt, ansprechende Brote zu backen. Brote, die toll sind, aber bei denen es nicht um die letzten 5% geht, weil dafür der Aufwand in einem schlechten Nutzen-Verhältnis steht. Ich selbst füttere meinen Sauerteig alle 2 Tage, so bleibt er fit und aktiv. Ist dass das Maximum und bin ich damit immer und garantiert auf der sicheren Seite, dass jedes Brot so richtig toll wird? Auf keinen Fall…dafür spare ich mir Zeit und Ressourcen. Und so entstehen trotzdem Brote wie dieses:
Wie schaffe ich es meinen Sauerteig aktiv oder fit zu machen?
Im Prinzip ist es recht einfach deinen Sauerteig aktiv zu halten:
- Füttere ihn regelmäßig, am besten täglich oder alle 2 Tage.
- Halte die Temperatur im Auge: Zwischen 22 und 26 Grad Celsius fühlen sich die Mikroorganismen am wohlsten und es entsteht ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Hefen und Milchsäurebakterien.
- Lagere den Starter im Kühlschrank bei 5-6 Grad nach der Fütterung.
- Halte die Hygieneregeln für Sauerteig ein.
- Stelle deinen Sauerteig am Peak oder kurz davor kühl, damit er während der Fütterung nicht direkt überreif wird.
- Vermeide, dass dein Sauerteig im Kühlschrank überreif wird. Füttere rechtzeitig erneut.
- Füttere aber nie zu früh. Wenn dein Sauerteig noch nicht reif ist, sind die Mikroorganismen noch nicht ausreichend vermehrt für eine weitere Auffrischungsrunde.
- Backe regelmäßig, um zu prüfen, ob die Brote gut werden und auch gut schmecken.
Wie sehen die Mikroorganismen in einem aktiven Sauerteig aus?
In einem aktiven Sauerteig leben Milchsäurebakterien und wilde Hefen in einem ausgewogenen Verhältnis zusammen – meist überwiegen die Milchsäurebakterien gegenüber den Hefen. Die Milchsäurebakterien sorgen vor allem für die Bildung von Milchsäure und Essigsäure, was dem Brot sein typisches Aroma, eine gute Frischhaltung und eine stabile Teigstruktur verleiht. Die Hefen übernehmen vor allem die Aufgabe der Lockerung durch CO2 Bildung.
Damit ein Sauerteig wirklich aktiv ist, müssen diese Mikroorganismen in Balance leben: Die Bakterien liefern die richtige Säure und die Hefen treiben den Teig, ohne die Säurebildung zu stören (also auch nicht zu schnell). Dieses mikrobiologische Gleichgewicht ist besonders wichtig für einen stabilen, triebkräftigen Starter. Weil:
Hat dein Sauerteig zu viel Hefe, wird das Brot langweilig schmecken. Hat dein Teig zu wenig Hefeaktivität, schmeckt das Brot zwar aromatisch gut, es wird aber ggfs. nicht schön aufgegangen sein (so wie bei meinem Krumen-Beispiel oben zu sehen).
Wie alt darf Sauerteig sein, so dass er noch „aktiv“ ist?
Das lässt sich pauschal nicht beantworten, weil es darauf ankommt, in welchem Zustand der Sauerteig in den Kühlschrank gekommen ist und wie kühl dieser war. Hat dein Sauerteig noch deutliche Luftbläschen und Volumen und riecht noch angenehm, ist es ein gutes Zeichen. Ist er bereits sehr flüssig geworden und riecht strenger, ist er vermutlich inaktiv und überreif und benötigt schnell wieder eine oder mehrere Auffrischungen. Beispiel für einen überreifen und somit nicht mehr „aktiven“ oder „fitten“ Teig:
Muss ich einen inaktiven Starter wegwerfen oder kann ich ihn reaktivieren?
Wenn dein Sauerteig längere Zeit (zB wenn du im Urlaub warst) im Kühlschrank stand, braucht er meist mehrere Fütterungen bei Raumtemperatur, um wieder in Gang zu kommen. Füttere ihn 2-3x am Stück und stelle ihn dann am Peak oder kurz davor wieder in den Kühlschrank bei 5-6 Grad. Wenn er in ganz schlechtem Zustand ist, nimm Vollkornmehl und reibe etwas Bio-Apfel in die Mischung.
Wann ist ein Starter oder Sauerteig zu aktiv?
Das klingt paradox, aber auch das gibt es. Wenn du zu lange wartest und der Starter wieder zusammenfällt, ist er über den Peak hinaus. Dann ist er nicht mehr auf dem Höhepunkt seiner Aktivität, sondern beginnt schon wieder inaktiv zu werden. Das kannst Du sehen: Der Teig fällt ein, bildet manchmal eine Kraterlandschaft oder fließt auseinander. Der Grund ist, dass das Glutengerüst durch den enzymatischen Abbau zusammenfällt. CO2 wird nicht mehr gehalten, was ein Zeichen dafür ist, dass nicht nur das Volumen verloren gegangen ist, sondern auch die Hefe-Aktivität deutlich reduziert ist (die Hefen haben keine Nahrung mehr und bauen langsam aber sicher ab (Fermentation oder auch bezüglich eigener Population)). Was vorher wie ein luftiger Ballon war, ist jetzt eher ein schlaffer Ballon.
Für den Hauptteig solltest Du den Starter kurz vor oder genau auf dem Höhepunkt seiner Aktivität verwenden. Bei der üblichen Fütterung stellst du nun den Sauerteig kalt. Faustregel also: Lasse deinen Sauerteig nicht zu reif und aktiv werden. Verwende ihn immer zum rechten Zeitpunkt (Optik und Geruch beachten) oder stelle ihn kalt. So sieht ein Sauerteig am Peak aus:
Ist „aktiver“ Sauerteig und „fitter“ Sauerteig dasselbe?
Ja, im Grund ist dass das Gleiche.
Kann ich einen inaktiven Starter trotzdem verwenden?
Nur mit Hefeunterstützung in Form eines sogenannten „Auffrischbrotes“. Hier findest du meine besten Rezepte dafür. Für ein reines Sauerteigbrot solltest du warten, bis er aktiv ist. Beispiel für ein Auffrischbrot mit Haferflocken: