Mit Hefe und Sauerteig kann man Brot herstellen. Dabei sind beide Triebmittel grundverschieden. Kennst du den Unterschied? Hier erkläre ich dir, wie sich Hefe und Sauerteig unterscheiden und worauf du beim Backen damit jeweils achten musst.
Wenn du frisch in das Backen von Brot einsteigst, stehst du vor der Entscheidung: Backe ich mit Hefe, mit Sauerteig oder gar beidem? Die Entscheidung für oder gegen eines der beiden Triebmittel hängt davon ab,
- was für ein Brot du backen willst.
- wie lange das Brot reifen soll.
- wie es schmecken soll.
- und welchen Charakter es erhalten soll.
Mit beiden Triebmitteln kannst du Teige fermentieren, CO2 (Gas) produzieren, dafür sorgen, dass dein Brot locker und luftig wird. Das ganz grundsätzlich: Die allermeisten Brotsorten kannst du mit beiden Triebmitteln backen. Dennoch wird ein Hefebrot immer anders schmecken als ein Sauerteigbrot. Dieser Ratgeber erklärt dir ausführlich, worin sich Hefe und Sauerteig unterscheiden – in Biologie, Geschmack, Fermentation, Aufwand, Glutenentwicklung, Haltbarkeit, Verträglichkeit, Emotion und praktischer Anwendung im Alltag. Und ich erkläre dir: Wann ist Hefe die beste Wahl und wann Sauerteig?
Was ist Hefe eigentlich und was dagegen Sauerteig?
„Bäckerhefe“ besteht aus einer einzigen Hefespezies: Saccharomyces cerevisiae. Eine kontrollierte Kultur an Hefen. Milliarden identischer Zellen, die alle dasselbe tun: Zucker vergären, CO₂ produzieren und den Teig zuverlässig aufgehen lassen. Sie ist berechenbar, schnell und liefert dir zuverlässige immer vergleichbare Ergebnisse (wenn die Hefe denn nicht zu alt ist). Daher wird sie auch in Bäckereien eingesetzt: Durch Hefe gibt es eine gewisse Gelinggarantie.
Zuchthefe arbeitet effizient, zuverlässig und produziert nur wenige Nebenaromen. Deshalb schmecken hefegelockerte Brote eher mild und neutral. Chemisch dominiert die alkoholische Gärung: viel Gas, wenig Säure, kaum komplexe Nebenprodukte.
Sauerteig ist dagegen eine Melange aus wilden Hefen und Milchsäurebakterien, die in natürlicher Form vorkommen (zB auf dem vermahlenen Korn oder auf anderen pflanzlichen Lebensmitteln). Die Hefen gehören häufig zu Arten wie Candida milleri oder Kazachstania exigua, die deutlich langsamer arbeiten und säuretoleranter sind als Bäckerhefe. Je nach Mehl, Temperatur und Pflege besteht dein Sauerteig aus dutzenden Mikroorganismen. Je nach Führung haben Sauerteige völlig unterschiedliche Charakteristika, ganz im Gegenteil zur immer gleichen Hefe. Das macht Sauerteig aromatisch und spannend, aber auch komplexer und anspruchsvoller. Sauerteig wird fortgeführt und am Leben gehalten. Teige aus Hefe werden verbraucht.
Die Bakterien senken den pH-Wert und erzeugen Milchsäure, Essigsäure und viele Aromastoffe. Dadurch verändert sich auch das Teiggerüst: Säure stabilisiert es zunächst und hemmt die Enzymatik, langfristig bauen Enzyme das Teiggerüst aber dennoch ab. Sauerteig ist damit immer ein Zusammenspiel aus Gärung, Säurebildung und Aromabildung – deutlich komplexer als reine Hefe.
In aller Kürze:
Zuchthefe = ein einzelner, hochperformanter Gasmotor
Sauerteig = ein komplexes Mikroökosystem, das Säure, Aroma und Struktur gleichzeitig bestimmt
Historischer Hintergrund – kurz angerissen
Vor der industriellen Hefezüchtung gab es quasi nur Sauerteig. Erst im 19. Jahrhundert wurden Reinzuchthefen entwickelt, die das Backen schneller, berechenbarer und industriell skalierbarer machten. Mit der Kühltechnik kamen lange Teigführungen und Vorteige hinzu – viele moderne Brote basieren heute auf Kombinationen aus gezüchteter Hefe und Sauerteig
Unterschiede in Geschmack und Aroma
Ein Hefe-Brot schmeckt mild bis leicht süßlich, aber kaum säuerlich (kommt auf die Länge der Reifezeit an). Die Aromatik in einem Hefebrot ist überschaubar und nicht so vieldimensional wie bei einem Sauerteigbrot der Fall. Gerade für süße oder milde und helle Brote ist die Hefe ein passendes Triebmittel. Je rustikaler ein Brot sein soll, desto weniger ist die gezüchtete Hefe geeignet. Die durch Hefe beeinflusste Brot-Krume ist fluffig und leicht, die Kruste tendenziell heller und dünner.
Beispiel für ein reines Hefebrot:
Sauerteig dagegen bringt eine ganze Aromawelt mit: nussige, malzige, leicht säuerliche und teils sogar fruchtige Noten. Das Brot wirkt kräftiger, die Kruste dunkler und die Röstaromen intensiver. Geschmacklich geht Sauerteigbrot viel stärker in die Tiefe. Und: Sauerteigbrot bleibt länger saftig und lecker (gerade bei Roggenbrot, das erst nach ein paar Tagen am besten schmeckt).
Ein typisches rustikales Sauerteigbrot: Man sieht die Aromatik förmlich
Die emotionale Entscheidung für oder gegen Hefe oder Sauerteig
Viele Hobbybäcker entscheiden sich nicht nur aus technischen Gründen für Sauerteig. Emotion spielt eine größere Rolle, als man denkt. Ein Sauerteig fühlt sich lebendig an, fast wie ein kleiner Mitbewohner, den man pflegt und über Jahre weiterentwickelt (so wie ein Tamagotchi). Dieses tägliche oder wöchentliche Füttern schafft eine Bindung, die sich ein bisschen wie Handwerk und ein bisschen wie Tradition anfühlt. Jeder Sauerteig hat seinen eigenen Charakter, eigenen Duft, eigenes Verhalten und genau das macht ihn für viele zu etwas Persönlichem, das sie nicht mehr missen wollen. Nicht umsonst geben viele ihren Sauerteigen einen Namen.
Hefe hingegen steht für Sicherheit, Kontrolle und Kindheitserinnerungen. Sie ist verlässlich, spontan einsatzbereit und liefert fast immer ein gutes Ergebnis. Das gibt vielen gerade am Anfang ein gutes Gefühl. Für manche gehört der Duft eines Hefezopfs oder Sonntagsbrötchens einfach zu ihrem persönlichen Backglück. Dennoch ist die Hefe meist eher als einmaliges Werkzeug zu sehen, ganz im Gegensatz zu einem Sauerteig, der einen im maximalen Fall ein ganzes Leben lang begleiten kann.
Wie läuft die Fermentation mit Sauerteig oder Hefe ab?
Hefe fermentiert den Teig schnell und direkt. Sie produziert CO₂ (Gas), Alkohol und ein paar wenige Aromastoffe – das war es eigentlich auch schon. Je nach Menge der Hefe ist die Fermentation kurz (mit sehr viel Hefe kann ein Brotteig in 30 Minuten reif sein). Die Hefe liefert zuverlässig Volumen, wenn das Teiggerüst die Gasmenge sauber einfangen kann (gutes Glutengerüst vorausgesetzt).
Fertig gereifte Hefe-Vorteige:
Sauerteig fermentiert deutlich langsamer. Neben wilden Hefen sind Milchsäure- und Essigsäurebakterien aktiv, die langsamer arbeiten als Reinzucht-Hefezellen aus gezüchteter Hefe. Die Bakterien senken den pH-Wert und produzieren Säuren und komplexe Aromen. Die wilden Hefen wandeln Zucker in CO2 um und sorgen so für Volumen und möglichen Ofentrieb.
Je nachdem, wie du deinen Sauerteig führst (warm, kühl, flüssig, fest), verändert sich das Verhältnis von Milchsäure zu Essigsäure und somit auch der Geschmack am Ende im Brot. Sauerteig ist also nicht nur ein Triebmittel, sondern ein wichtiger Aromageber (teilweise wichtiger als das Mehl).
Fertig gereifert Sauerteig:
Haltbarkeit: Warum Sauerteigbrote länger frisch bleiben
Durch die Säuren des Sauerteigs sinkt der pH-Wert im Brot. Das bremst sowohl Schimmelbildung als auch das Altbackenwerden der Stärke. Deswegen bleiben Sauerteigbrote länger saftig, elastisch und aromatisch. Ein gutes Roggen-Sauerteigbrot hält locker 4–6 Tage frisch, teilweise sogar bis zu 10 Tage.
Hefebrote altern deutlich schneller. Sie trocknen eher aus, schmecken am zweiten Tag schon deutlich flacher. Sie verlieren schnell ihre Saftigkeit. Generell ist die Saftigkeit noch viel stärker abhängig von Tricks, die für mehr Feuchtigkeit im Brot angewendet werden müssen, wie zB der Verwendung eines Mehl-Kochstücks.
Überdosierung: Warum Hefe viel empfindlicher reagiert
Die Menge an Triebmittel macht enorm viel aus (Reifezeiten, Aroma, Verträglichkeit). Aber die Auswirkungen einer Überdosierung von Hefe oder Sauerteig unterscheiden sich stark.
Zu viel Hefe führt sehr schnell zu:
- rasenden Garzeiten
- instabilem Glutengerüst
- alkoholischem Geruch
- flach schmeckenden Broten
- schneller Übergare
- zu feiner Krume
- deutlich schlechterem Aroma
Schon das Verdoppeln von 1 % auf 2 % Hefezugabe kann ein Rezept und Brot komplett veränderb.
Sauerteig ist viel toleranter, weil:
- nicht nur die Hefen, sondern auch die Bakterien Einfluss nehmen
- die Triebkraft langsamer ist und bei Erkennung einer angehenden Übergare noch reagiert werden kann
- der pH-Wert viele negative Prozesse puffert
- die Aromen harmonischer bleiben
Selbst 30–40 % Sauerteiganteil können noch wunderbar funktionieren, gerade bei Roggenbroten ist das eine übliche Menge Sauerteig. Ob dann am Ende 30, 40 oder 50% Sauerteig-Anteil im Brotteig stecken, ist nicht direkt mit massiv beschleunigter Fermentation verbunden. Ob 1% Hefe-Anteil oder 2% Hefe-Anteil macht dagegen einen starken Unterschied aus.
Zu schnell und stark aufgereifter Teig (er ist schon instabil):
Aufwand und Gelinggarantie
Hefe ist sofort startklar. Keine Pflege, keine Temperatursteuerung, keine Sorgen darüber wie aktiv ist der Sauerteig-Starter heute so ist. Hefe ist perfekt geeignet, wenn du ein Brot in drei Stunden brauchst und dir um die Triebkraft keine Sorge machen möchtest. Hefe ist auch dann total sinnvoll, wenn du Sauerteig absichern möchtest: Also wenn du nicht sicher bist, ob dein Sauerteig gut drauf ist, dann kann eine kleine Zugabe sogenannter „Schisserhefe“ deinen Teig zuverlässig treiben, das Brot aber von der Sauerteigzugabe geschmacklich profitieren.
Sauerteig ist ein kleines Lebewesen. Du fütterst ihn, beobachtest ihn, passt die Temperatur an und mit der Zeit lernst du ihn besser kennen, lesen und einzusetzen. Die Gelinggarantie ist nicht so hoch wie bei Hefe, weil die Triebkraft deines Sauerteigs stark von der Pflege und Fütterungsstrategie abhängt. Dafür ist das Ergebnis oft intensiver, rustikaler und langlebiger.
Fertig aufgereifter Sauerteig:
Wann sollte man besser keine Hefe verwenden?
Es gibt klare Situationen oder „Back-Projekte“, in denen Hefe keine gute Idee ist:
- Reine Roggenbrote – Roggen braucht Säure, auch wenn moderne Sorten mit weniger davon auskommen. Hefe kann eingesetzt werden, Roggenbrot verliert dann aber deutlich an Charakter.
- Sehr warme Teigführungen – hier überreifen Hefeteige extrem schnell. Bei warmen Teigen (also zB auch bei roggenlastigeren Teigen mit Teigtemperaturen von 26-27 Grad aufwärts) ist Sauerteig deutlich besser geeignet. Durch Wärme kann die Säure im Brot reduziert werden, um ein mild-säuerliches Brot zu erhalten, ohne zu schnelle Übergare.
- Dinkel – hohe Hefemengen lassen die empfindlichen Glutenstrukturen schnell kollabieren. Hier geht Hefe natürlich schon, aber arbeite am besten mit einem Vorteig (wie Poolish).
- Wenn maximale Aromatiefe gewünscht wird – Hefe bleibt immer mild und führt immer zu wenig komplex schmeckenden Broten.
Roggenbrot profitiert und verlangt gar nach Säure:
Wann ist Sauerteig eher nachteilig?
Auch Sauerteig ist nicht immer die beste Wahl:
- Helles, mildes Brot (z. B. Toast, Sandwich) – Sauerteig bringt ein Grundaroma mit, was nicht immer gewünscht ist.
- Feingebäck, Brioche, Zöpfe, milchige Teige – hier stört Säure den Geschmack. Diese Brotsorten sollen eher schnell aufgehen. Alternative zu Hefe: Der Lievito Madre: Ein milder Sauerteig
- Teige, die extrem fluffig sein sollen – ein sehr luftiges Ciabatta gelingt mit Hefe besser.
- Backanfänger oder spontane Projekte – Sauerteig braucht Planung und Reife und Fitness.
- Wenn du maximale Gelinggarantie brauchst – z. B. für große Mengen oder enge Zeitfenster oder wenn du deine Backwerke in immer gleicher Qualität verkaufen willst.
Der milde Lievito Madre
Ciabatta, das mit Hefe gebacken wurde
Verträglichkeit: Warum viele Sauerteig besser bekommen
Sauerteig baut während der langen Fermentation bestimmte Bestandteile ab, die manche Menschen nicht gut vertragen:
- FODMAPs sind eine Gruppe von Kohlenhydraten, die im Dünndarm schlecht aufgenommen werden und bei manchen Menschen zu Verdauungsbeschwerden wie Blähungen und Bauchschmerzen führen können.
- Phytinsäure, die Mineralstoffe bindet
- bestimmte Proteine, die beim Backen sonst schwer verdaulich sind
Lange Teigführungen mit wenig Hefe können ebenfalls die Verträglichkeit verbessern – aber Sauerteig ist hier naturgemäß stärker. Wenn du selbst Probleme mit der Verträglichkeit hast: Setze auf reine Sauerteigbrote mit langer Reifezeit (16 bis 24 Stunden). Und wenn du keine Lust auf Sauerteig hast, dann arbeite mit sehr wenig Hefe (zB in Form eines Vorteiges) und ebenfalls über sehr lange Reifezeiten. Viele empfindliche Menschen können so auch Hefebrote ohne Probleme genießen.

Was du jetzt daraus machen kannst
Sauerteig und Hefe sind keine Gegner. Es gibt keinen klaren Sieger. Ich backe am liebsten Sauerteigbrote, aber dennoch kommt die Hefe nicht selten in meine Brotteige. Je nachdem wie viel Zeit ich habe, wie fit mein Sauerteig gerade ist und was ich gerade backen möchte… Beide Triebmittel können passende Werkzeuge sein. Je besser du ihre Stärken und Schwächen kennst, desto gezielter kannst du dein Brot gestalten und eine sinnvolle Wahl für oder gegen eines der beiden treffen.
- Willst du Aroma, Frischhaltung, Charakter, Tradition? Dann ist der Sauerteig wohl die bessere Wahl.
- Willst du Feinporung, Volumen, Fluffigkeit, Milde? Dann ist die Hefe dein Freund. Entweder nur Hefe oder als Zusatz zum Sauerteig.
- Willst du beides? Dann kombiniere Hefe und Sauerteig, so wie es viele Bäcker tun.
Am Ende gilt:
Du bestimmst den Stil deines Brotes. Und beide Triebmittel können großartig sein, wenn du sie richtig einsetzt.



























